Umweltschutz und Wasserversorgung Frisches Wasser aus dem Abfluss

Bonn · Der UN-Weltwasserbericht warnt vor steigendem Bedarf und sinkender Qualität beim kostbaren Gut. Die Welt wird neue Wege beschreiten müssen, um ihre Bewohner auch in Zukunft ausreichend versorgen zu können.

Würden alle Trockenregionen der Erde mit dem raren Süßwasser so umgehen wie die Israelis, enthielte der gestern Abend in Bonn am internationalen Weltwassertag veröffentlichte UN-Weltwasserbericht weniger Warnungen. Zwischen Tel Aviv, Haifa und Jerusalem wurde nicht nur die effiziente Tröpfchenbewässerung erfunden, sondern das von chronischer Wasserknappheit geplagte Israel liegt mit einer Abwasser-Recyclingquote von 86 Prozent einsam auf Platz eins der Welt. Zum Vergleich: Spanien 17 Prozent, USA ein Prozent.

Das so aufbereitete Abwasser fließt auf Felder und Obstplantagen. Und ihr Trinkwasser holen die Israelis weitgehend aus dem Mittelmeer: Bis zu 70 Prozent der privaten Haushalte werden über riesige Meerwasserentsalzungsanlagen versorgt. Bis 2020 sollen es 100 Prozent sein.

Doch nicht jede Trockenregion kann einen salzigen Ozean anzapfen. Einmal nicht wegen küstenferner Lagen, vor allem aber nicht wegen der Kosten: Bis zu 500 000 Dollar kostet eine Anlage, die – bei sparsamem Verbrauch – rund 800 000 Menschen versorgt. Weil die Süßwasserwelt auf dem Salzwasserplaneten völlig anders aussieht als in Israel, liest sich der neue UN-Wasserbericht wie eine letzte Warnung, wenn die Menschheit nicht bald aufhört mit Vergeudung und Verschmutzung. Denn der Klimawandel werde häufiger und intensiver Fluten und Dürren produzieren und regional ohnehin bestehende Wassernöte verschärfen. Auch der syrische Bürgerkrieg, so die Autoren, „wurde unter anderem durch eine historische Dürreperiode (2007-2010) ausgelöst“.

Wenn Süßwasser zunehmend zur Mangelressource wird, liegt die Idee des Recyclings nicht fern. Deshalb richtet der UN-Wasserreport seinen diesjährigen Fokus auf „Wiederverwendung, Wiederaufbereitung, Rückgewinnung“. In einem Wort: Abwasser. Weltweit fließen 80 Prozent ungeklärt in die Umwelt und schädigen die menschliche Gesundheit. Nur Industrieländer mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen „behandeln 70 Prozent ihres kommunalen und industriellen Abwassers“.

Rund 32 Prozent der Menschheit, etwa 2,4 Milliarden, haben weiterhin keinen Zugang zu einer hygienisch unbedenklichen Sanitäreinrichtung. Dabei würde es sich rechnen: „Durch die Bearbeitung menschlicher Exkremente entstehen der Gesellschaft große Vorteile, im Gesundheitswesen ebenso wie in der Umwelt“, heißt es in dem Bericht. „Jeder in die Sanitärversorgung investierte US-Dollar erbringt geschätzt eine Rendite von 5,5 US-Dollar.“

Sauberes Wasser für jeden ist ein fernes Ziel

Neue Geschäftsfelder samt Arbeitsplätzen könnten sich in der Dritten Welt ebenfalls ergeben, wenn Fäkalschlamm vermehrt zu organischem Dünger aufbereitet würde. Auch die große Perspektive legt das nahe, weil „die zugänglichen mineralischen Phosphorressourcen laut Prognosen in den nächsten Jahrzehnten knapp oder gar erschöpft sein werden“, bieten menschliche Ausscheidungen, die reichlich Stickstoff und Phosphor (Nährstoffe für Pflanzen) enthalten, einen Ausweg.

Doch „überall geklärte Abwässer“ oder „sauberes Trinkwasser für jeden Erdenbürger“ bleiben wahrscheinlich Fernziele. Seit 1993 begeht die Menschheit am 22. März den von der UN „verordneten“ internationalen Wassertag. Die an diesem Tag regelmäßig veröffentlichten Studien und Lageberichte über die weltweite Wassersituation warnen seitdem, dass eine globale Süßwasserkrise näher rückt. Politstrategische Thinktanks mahnen zur Wasserdiplomatie: Staatenquerende Flussadern könnten zu Kriegsadern werden, wenn Länder, die am Oberlauf eines Stroms liegen, sich während einer Dürre rücksichtslos bedienen und am Unterlauf nur noch ein Rinnsal ankommt. Insbesondere gigantische Staudämme zur Energiegewinnung bilden regionale Krisenherde.

Weil in vielen Erdregionen der Regen nicht reicht, damit Bauern ausreichend Essbares für die Bevölkerung produzieren können, hat die Landwirtschaft den fehlenden Niederschlag zunehmend mit künstlicher Bewässerung ausgeglichen, teilweise sogar aus endlichen Grundwasserreserven. Inzwischen verbraucht sie 70 Prozent des gesamten verfügbaren Süßwassers auf der Erde zur Nahrungsherstellung für eine 7,5-Milliarden-Menschheit. Dieser Trend ist seit 50 Jahren ungebrochen.

Nach dem aktuellen UN-Wasserreport hat sich seit 1960 „die Fläche für Bewässerungsfeldwirtschaft mehr als verdoppelt, die Zahl der Nutztiere verdreifacht, und die Aquakultur (Fischzucht) im Binnenland ist um mehr als den Faktor 20 gewachsen“. Das spiegelt eine irrwitzige Wachstumsspirale, die über die herausragende Lösemitteleigenschaft des Wassers zum Bumerang wird: Es nimmt auch die Pharmareste aus Maststall und Fischzuchtteich perfekt auf. Selbst moderne Klärwerke können aber Antibiotika oder Nanopartikel aus Kosmetika nicht herausfiltern. So sinkt auch die Wasserqualität in der regenreichen Welt.

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