Schulklassen kamen nicht mehr ins Theater Ein schwules Känguru verschreckt Eltern in Baden-Baden

Baden-Baden/Ulm · Das Theater in Baden-Baden hat ein Stück um ein schwules Känguru aus dem Programm genommen, weil keine Zuschauer mehr kommen. In Köln läuft das Stück.

 Die Schauspieler (v.l) Sonja Dengler (Känguru), Patrick Schadenberg (Tiger) und Manuel Dengler (Panther) proben am 07.01.2017 im Theater Baden-Baden (Baden-Württemberg) das Stück „Ein Känguru wie Du“. nach einer Geschichte des Kinderbuchautoren Ulrich Hub.

Die Schauspieler (v.l) Sonja Dengler (Känguru), Patrick Schadenberg (Tiger) und Manuel Dengler (Panther) proben am 07.01.2017 im Theater Baden-Baden (Baden-Württemberg) das Stück „Ein Känguru wie Du“. nach einer Geschichte des Kinderbuchautoren Ulrich Hub.

Foto: dpa

Es passiert an den besten Theatern, dass Bühnen Stücke absetzen, weil keine Zuschauer kommen. Doch eine von der Kritik gelobte Geschichte um ein schwules Känguru, die das Theater Baden-Baden inszeniert hat, sorgt für Debatten über die Stadtgrenzen hinaus. Nach zwölf geplanten Aufführungen nimmt Intendantin Nicola May in der Kurstadt die Story „Ein Känguru wie Du“ des Tübinger Autoren Ulrich Hub nicht wieder auf den Spielplan. „Trotz guter Kritiken blieben die Zuschauer aus. Mehr als sonst mussten Vorstellungen abgesagt werden“, teilt das Haus mit.

„Mit der Zeit haben wir aber gemerkt, dass es nicht läuft. Es stellte sich heraus, dass Schulklassen es schlicht nicht besuchen“, sagt May. Das „Badische Tagblatt“ berichtete von Elternprotest, der zur Absetzung führte, von Gegenwind, den Lehrer von Eltern bekamen. Beim Ticketservice und in den theaterpädagogischen Vor- und Nachbereitungen in den Schulen habe das Theater die „vermehrt gespaltenen Meinungen zum Stück bei einigen Lehrern und Eltern“ mitbekommen, teilt das Theater mit.

Sexuelle Vielfalt auf dem Lehrplan

Zwar ist es unter dem Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg politisch gewollt, das Thema sexuelle Vielfalt auch mit einem eigens aufgelegten Bildungsplan an Schüler heranzuführen. Doch verordnen lässt sich Toleranz eben nicht. Davon konnte sich auch die Politik überzeugen, als besorgte Eltern im vergangenen Jahr bei der „Demo für alle“ gegen eine Sexualisierung ihrer Kinder protestierten.

Intendantin May erinnert sich, dass die „Demo für alle“ auch ein Grund dafür war, ein solches Stück auf die Bühne zu bringen. Inzwischen ist der kritisierte Bildungsplan in Kraft, wenn auch - nach Meinung des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) - kaum mit durchschlagender Wirkung. Der Bundestag hat zudem gerade die ebenfalls von der „Demo für alle“ bekämpfte „Ehe für alle“ beschlossen.

Aber in Sachen Akzeptanz für andere Lebensweisen gibt es immer noch viel zu tun, wie der Bund-Länder-Koordinator beim LSVD, René Mertens, sagt. Auf Schulhöfen seien noch immer Schimpfwörter wie „schwule Sau“ verbreitet. Kinder würden homophob gemobbt. Deshalb sei ein solches Theaterprojekt zu begrüßen.

Eltern bitten den Autor, ein anderes Buch zu lesen

Hub kennt die gespaltenen Meinungen. „Ich bin seit einem Jahr mit dem Buch auf Tour und höre auch manchmal: "Können Sie bitte aus einem anderen Buch lesen"“, sagt der in Berlin lebende Autor. Die Kinder seien angeblich zu klein und würden überfordert. In der Kommentarspalte auf der Internetseite des Verlags liest sich das - neben Lob für die tiefsinnige Geschichte - so: „Wer kleine Kinder mit Schwulsein überfallen will, wählt dieses Buch...“; eine „Kampfschrift für Geschlechterpluralität“, schreibt ein Leser.

Hub ist dagegen überzeugt: „Kinder nehmen das anders wahr, unvoreingenommener.“ Er betont, dass die Handlung mit Altersfreigabe ab acht Jahren sich um Freundschaft drehe - nicht um Schwulsein. Und gespielt werde es auch anderswo. Das SWR-Fernsehen zeigte in einem Beitrag über das offen schwule und boxende „Känguru“ Django zudem Kinder, die von ihren eigenen Begegnungen mit Homosexuellen in ihren Familien berichten.

Das Stück läuft in Köln

Das Kölner Comedia Theater zeigt das Stück aktuell im Programm und bedankt sich im via Facebook: "Wie schön, dass in Köln Lehrer*innen und Eltern kein Problem mit unserer Inszenierunghaben." Zu sehen sein wird die in Baden-Baden aus dem Programm genommene Inszenierung nun bei den baden-württembergischen Theatertagen in Ulm. Bei dieser Leistungsschau der Südwest-Theater können sich die Organisatoren nicht über mangelnde Resonanz beklagen. Das Stück treffe offenkundig einen Nerv, rege zum Nachdenken an und befasse sich auch mit Schwulenfeindlichkeit, heißt es dort. „Wir wollen einen Dialog in Gang und Fragen des Zusammenlebens auf die Bühne bringen“, sagt der Regisseur und Sprecher des Theaters Ulm, Daniel Grünauer.

Und auch in Baden-Baden sieht sich Theaterintendantin May bestärkt. Für den 9. Juli lädt sie ins Theater zu einer szenischen Lesung samt Diskussion zum Thema „Was darf ein Känguru im Kindertheater“ ein. Mit dabei sein werde auch Autor Hub. „Wir wollten niemanden verletzen oder provozieren“, sagt May. Es gebe ja auch Stücke über Scheidung oder Tod. „Wir wollen eine Handreichung geben, wie man mit dem Thema umgeht. Denn es gibt ja dieses Thema, ob Känguru oder nicht.“

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