Mehr als 400 Wohnungen Dortmund räumt riesigen Hochhauskomplex wegen Brandgefahr

Dortmund · Schon lange gilt ein Wohnkomplex in Dortmund als Problemfall. Jetzt zieht die Stadt die Reißleine. 800 Menschen müssen ihre Wohnungen wegen Brandschutzmängeln verlassen. Die Eigentümerin widerspricht.

 Der Hannibal-Hochhauskomplex mit mehr als 400 Wohnungen wird wegen Brandgefahr geräumt.

Der Hannibal-Hochhauskomplex mit mehr als 400 Wohnungen wird wegen Brandgefahr geräumt.

Foto: Marcel Kusch

Wegen schwerer Brandschutzmängel hat die Stadt Dortmund die Räumung eines riesigen Hochhauskomplexes mit knapp 800 Bewohnern gestartet. Die Menschen mussten am Donnerstagabend kurzfristig ihre Wohnungen verlassen.

Die Sicherheitsmaßnahme diene dem Schutz der Mieter und sei unumgänglich, teilte die Stadt mit. Bei einem Brand in dem riesigen Komplex könne sich Rauch gefährlich schnell ausbreiten. Außerdem fehlten Rettungswege. In dem riesigen Wohnkomplex im Stadtteil Dorstfeld wohnen viele sozialschwache Familien. Die Eigentümerin des Hochhauskomplexes kritisierte die Maßnahme der Stadt Dortmund als nicht rechtens und unangemessen.

Viele Bewohner verließen das Gebäude schon am Nachmittag, als sich die Nachricht von der Evakuierung rumsprach. Zeitweise standen mehr als 100 Menschen draußen rund um das Haus und warteten auf Unterstützung. Viele hatten die nötigsten Habseligkeiten in Rucksäcken und Taschen gepackt. Gegen 19.30 Uhr begannen Teams von Mitarbeitern des Ordnungsamtes und der Polizei, durch den Wohnkomplex Hannibal II zu laufen und an die Türen zu klopfen. Vor dem riesigen Hochhaus standen Busse bereit, die die anwesenden Bewohner zu einer Leichtathletikhalle, die als Notunterkunft dient, fahren sollten. Erste betroffene Mieter stiegen in die wartenden Busse ein.

Die Helmut-Körnig-Halle solle 48 Stunden als erste Unterbringung für die Bewohner des Hochhauskomplexes dienen, sagte der Leiter der Dortmunder Feuerwehr, Dirk Aschenbrenner. Danach sollten die Menschen auf andere Unterkünfte verteilt werden. In der Halle wurde ein Notquartier mit rund 500 Betten eingerichtet. Für Familien gebe es einen eigenen Bereich. Mehrere hundert Helfer seien im Einsatz. In den nächsten Tagen sollen dann für alle Bewohner "bedarfsgerechte Unterbringungen" gefunden werden, teilte die Stadtverwaltung mit.

"Wie lange das Gebäude evakuiert bleiben muss, kann derzeit nicht sicher beantwortet werden", sagte der Leiter des Krisenstabes, Ludger Wilde. Bevor die Bewohner zurückkehren könnten, sei ein erheblicher Umbau notwendig. Das werde wohl einige Monate dauern. Nach den letzten Baumaßnahmen des Eigentümers habe der Komplex seine Brandschutzgenehmigung verloren. Ähnlich äußerte sich Feuerwehrchef Aschenbrenner am Abend: Er rechne damit, dass das Beseitigen der Mängel eine Sachen von Wochen, wenn nicht sogar von Monaten sei.

Laut Stadt gibt es keine ausreichende Trennung zwischen dem Parkdeck im Untergeschoss und den Wohnungen. Durch Schächte mit direkter Verbindung nach oben könne sich tödlicher Rauch bei einem Brand schnell ausbreiten. Auch gebe es keine ausreichenden Rettungswege. "Unmittelbares Handeln ist erforderlich", betonte Wilde.

Die Eigentümerin des Gebäudes ist die Firma Intown GmbH, der auch das vor einigen Wochen wegen Brandschutzmängeln evakuierte Hochhaus in Wuppertal gehört. Das bestätigte eine Sprecherin des Unternehmens.

Intown kritisiert das Vorgehen der Stadt Dortmund: "Erstmals heute haben wir von den detaillierten Brandschutzbedenken und baurechtlichen Themen Kenntnis erhalten und keinerlei Zeit für eine Reaktion in der Sache gehabt", erklärte Intown-Chef Sascha Hettrich. Die von der Stadt genannten Mängel hätte auch mit anderen Maßnahmen wie nur der Räumung der Tiefgarage, Brandwachen und einer Prüfung der Entrauchungsanlage vermieden werden können. Man wolle weitere Brandsachverständige hinzuziehen. "Ziel unsererseits ist die zügige Mängelbehebung und der Wiederbezug der Wohnungen durch die Mieter."

In Wuppertal hatte die Stadt den verheerenden Hochhausbrand des Grenfell Towers in London mit mindestens 81 Toten zum Anlass genommen, das Brandrisiko von Häusern neu zu bewerten. Daraufhin wurde das Hochhaus mit 86 Wohnungen im Juni innerhalb kürzester Zeit geräumt. Die Bewohner durften erst zurückkehren, als Intown einen Monat später Teile der brennbaren Kunststoff-Fassade entfernt hatte.

Wer die Kosten für die Evakuierung in Dortmund übernimmt, sei keine vordringliche Frage, sagte Wilde. "Jetzt geht der Mieterschutz vor."

Der Mieterverein Dortmund bezeichnete die Räumung als "dramatisch". In dem Gebäude seien Instandhaltungsmaßnahmen vernachlässigt worden, kritisierte Geschäftsführer Rainer Stücker am Donnerstag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort