Starke Kritik des Auswärtigen Amts Wenn Diplomaten ihre Immunität missbrauchen

Berlin/Bonn · Ein Autofahrer in Berlin reißt abrupt die Tür auf, während er im absoluten Halteverbot steht. Ein Radfahrer stirbt deshalb. Doch der Verursacher muss keine rechtlichen Folgen fürchten: Er ist Diplomat.

 Autos mit Diplomatenkennzeichen vor dem Schloss Bellevue in Berlin.

Autos mit Diplomatenkennzeichen vor dem Schloss Bellevue in Berlin.

Foto: dpa

Der Tod eines Radfahrers in Berlin ist kein Einzelfall. Mehr als 22.000 Ordnungswidrigkeiten in der Hauptstadt gingen 2016 auf das Konto ausländischer Diplomaten. Angehörige des diplomatischen Dienstes fallen der Berliner Polizei immer häufiger durch Vergehen im Verkehr auf.

Verkehrsdelikte ausländischer Diplomaten schaden nach Ansicht des Auswärtigen Amts den diplomatischen Beziehungen und dem Ruf des diplomatischen Korps in Deutschland. Es sei zwar wichtig, dass Diplomaten unter rechtlichem Schutz im Gastland stehen würden, sagte Sprecher Martin Schäfer am Freitag in Berlin. „Dass das in Deutschland auch von hier tätigen ausländischen Diplomaten missbraucht wird, missbilligen wir ausdrücklich.“ Die Zahl der Verkehrsdelikte von Diplomaten steigt seit Jahren.

Ein von einem saudischen Diplomaten verursachter tödlicher Radunfall in Berlin hat Empörung ausgelöst. Der 50-jährige muss keine Strafverfolgung fürchten, weil er diplomatische Immunität genießt.

Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichtet, registrierte die Behörde im vergangenen Jahr 22.882 solcher Fälle – vor allem Falschparken und Raserei. Kraftfahrzeuge des Diplomatischen Corps und internationaler Organisationen waren demnach in Berlin 2016 in insgesamt 60 Verkehrsunfälle verwickelt.

Der Statistik zufolge sind die Zahlen der Verkehrsdelikte mit Fahrzeugen mit diplomatischen Kennzeichen seit 2010 gestiegen. Seit 2012 registrieren die Beamten jährlich mehr als 20.000 Ordnungswidrigkeiten. 2015 lag die Zahl mit 24.118 Fällen allerdings noch höher als im Folgejahr.

Die diplomatischen Vertretungen, die in der Statistik am häufigsten in Erscheinung traten, sind die Volksrepublik China, Saudi-Arabien, die Russische Föderation, Ägypten, die USA, Griechenland, Sudan, Philippinen, Vietnam und Iran.

Wieso können Diplomaten nicht bestraft werden?

Grundlage für das Vorrecht der diplomatischen Immunität ist das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) von 1961. In Artikel 31 ist festgelegt, dass der Diplomat uneingeschränkt "Immunität vor der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaats" genießt. Das gilt auch vor der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ausnahmen gibt es nur in Bezug auf Vermögensfragen, Nachlasssachen und gewerbliche Tätigkeiten des Diplomaten. Darunter fällt zum Beispiel das Spekulieren an der Börse. Das Vorrecht der Immunität soll Diplomaten allgemein vor staatlicher Willkür oder fremder Rechtspraxis seines Gastgeberlandes schützen.

So erkennt man ein Diplomaten-Kennzeichen

Ein Fahrzeug des Diplomatischen Corps trägt laut Auskunft der Behörden immer ein Kennzeichen mit folgender Zusammensetzung:

  • Die Ziffer" 0"steht am Anfang. Für das Konsularische Korps wird das Kennzeichen des Zulassungsbezirks mit einer aus drei bis fünf Ziffern bestehenden Nummer ausgegeben, die immer mit einer Neun beginnt. Technische Mitarbeitern oder Verwaltungspersonal einer Botschaft dürfen ein diplomatisches Kennzeichen führen, das anstelle der "0" das Kürzel des Zulassungsbezirks (in der Regel "B" für Berlin oder "BN" für Bonn) trägt.
  • Neben den Plaketten folgt ein zwei- bis dreistelliger Zahlencode, der auf das Land der diplomatischen Vertretung Auskunft gibt.
  • Die letzten Zahlen nach dem Bindestrich stehen für den Rang des Diplomaten. Je niedriger diese Zahl ist, desto höher ist der Rang. Die „1“ ist in der Regel einem Botschafter vorbehalten.
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