Gefährliches Luxusleben in Russland Die goldene Geländewagenjugend

Moskau · Der Nachwuchs von Russlands Superreichen liebt lebensgefährliche Regelverstöße im Straßenverkehr. Die Raserei bleibt nicht ohne Unfallfolgen, doch meist straffrei.

 Deutsche Luxusautos sind bei reichen Russen beliebt. Deren Nachwuchs nutzt die PS-starken Karossen gern zu gefährlicher Raserei auf Moskaus Straßen.

Deutsche Luxusautos sind bei reichen Russen beliebt. Deren Nachwuchs nutzt die PS-starken Karossen gern zu gefährlicher Raserei auf Moskaus Straßen.

Foto: picture alliance / dpa

Mara Bagdasarjan ist 23 und fotogen. Lange Beine, kastanienbraunes Seidenhaar, riesige graue Augen und pralle Lippen, scheinbar noch etwas mit Botox nachgepolstert. Vor knapp einer Woche, im Gericht, trug Mara eine Chinchilla-Pelzweste, das Gesicht versteckte sie hinter einem Louis- Vuitton-Tuch. Ihre riesigen grauen Augen aber verdrehte sie wiederholt genervt. Ein Moskauer Friedensrichter verurteilte sie wegen vier unbezahlter Verkehrsprotokolle zu zehn Tagen Arrest und 75 Stunden Strafarbeit. Das ist nur der Anfang: Insgesamt geht es um 16 ignorierte Zahlungsbefehle.

Im Oktober hatte man sie mit 140 unbezahlten Protokollen erwischt – bei einem Verkehrsunfall, wo sie als Beifahrerin schwer verletzt wurde, der Mann am Steuer des BMW X5 kam damals ums Leben. Mara saß ein Jahr später in einem Mercedes-Geländewagen, der sich in Moskau eine Verfolgungsjagd mit der Polizei lieferte. Mara Bagdasarjan ist Moskaus berühmtester Verkehrsrowdy. Sie rast oder driftet gerne über Moskaus Straßen, vor allem bei Nacht, im Mercedes S63 AMG, im BMW X6M, im Nissan GR-R, auf einem ihrer beiden Motorräder. Die finanziert der arbeitslos gemeldeten Mara ihr Vater, Fleischgroßhändler Elmar Bagdasarjan – und auch Nebenkosten wie Rechtsanwälte oder Protokolle. Für letztere soll er bereits vergangenes Jahr gut 14 000 Euro gezahlt haben.

Die nachwachsende Generation der Superreichen Russlands liebt lebensgefährliche Regelverstöße im Straßenverkehr. Und präsentiert sie stolz, im Internet. Auch Mara stellte immer wieder Videos ihrer Autojagden auf Instagram oder Facebook und Selfies mit ausgestreckten Zeigefingern, gemeinsam mit Verkehrspolizisten. Darunter einen Film der Verfolgungsjagd zwischen Mercedes-Geländewagen und Polizeiautos im Oktober. Die Teilnehmer im Alter von 20 bis 23 Jahren hatten ihren Ruf als „Goldene Geländewagenjugend“ weg – und einen Strafprozess wegen Gewaltandrohung und Beleidigung gegenüber Vertretern der Staatsgewalt am Hals. Aber sie kamen glimpflich davon: Mara wurde nur als Zeugin befragt, der Fahrer freigesprochen, zwei weitere Insassen erhielten 300 Stunden Strafarbeit, darunter Ruslan Schamsuarow, Sohn des Vizepräsidenten der zweitgrößten russischen Ölfirma Lukoil.

Das Gericht ließ Schamsuarows 140 000 Euro teuren „Geländewagen“ konfiszieren. Schamsuarow konterte auf Instagram: Er wolle sein Auto zurück, sonst stelle er Telefonate ins Netz, die bewiesen, dass hohe Polizeibeamte von ihm 500 000 Dollar Schmiergeld zur Vertuschung der Angelegenheit gefordert hätten. „Euch erwartet das Gericht“, drohte der Jüngling. Die erboste Staatsanwaltschaft verlangt, das Verfahren gegen die Raser wieder aufzunehmen.

„Nach der geltenden Straßenverkehrsordnung sind sie angemessen bestraft worden“, sagt Sergei Kanajew, Leiter des Verbandes der Autobesitzer Russlands. Verschärfungen sind geplant, etwa ein Tempolimit für Jungfahrer. Aber Kanajew bezweifelt, dass sich etwas ändert: „Das Hauptproblem sind die hochgestellten Eltern und die Vertreter der Staatsorgane, die die Regeln genauso krass mit Füßen treten. Die Regeln müssen für alle gleich gelten, damit sich die Lage auf den Straßen bessert.“

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