Autopilot schon beim Flug nach Barcelona auf niedrige Höhe Die geplante Katastrophe

PARIS · Andreas L. hat am 24. März nicht nur "mit voller Absicht" die Germanwings-Maschine, in deren Cockpit er als Copilot saß, über den französischen Alpen abstürzen lassen und damit 149 weitere Menschen mit in den Tod gerissen.

 Das Cockpit eines Airbus A320: Nach den Daten des Flugschreibers der Unglücksmaschine (kleines Foto) wurde der Autopilot manipuliert.

Das Cockpit eines Airbus A320: Nach den Daten des Flugschreibers der Unglücksmaschine (kleines Foto) wurde der Autopilot manipuliert.

Foto: dpa

Bereits während des Hinfluges von Düsseldorf nach Barcelona am Morgen desselben Tages stellte der 27-Jährige den Autopiloten des Airbus A 320 kurzzeitig auf eine extrem niedrige Flughöhe ein, während er sich alleine im Cockpit befand - möglicherweise um den Sinkflug zu testen. Zu diesem Ergebnis kamen die Ermittler der BEA, der französischen Behörde für zivile Luftfahrt-Sicherheitsuntersuchung, die gestern einen Zwischenbericht zu der Katastrophe veröffentlicht hat.

Ein Sinkflug "ohne erkennbaren Effekt"

Darin hat sie nicht nur die Blackbox-Daten des Todesfluges von Spanien nach Deutschland berücksichtigt, sondern auch alles, was auf der Hinreise unmittelbar zuvor passiert war. Allerdings habe es bei dem ersten Sinkflug "keinen erkennbaren Effekt" gegeben, da die Luftkontrolleure ein leichtes Absinken zuvor angeordnet hatten, erklärte BEA-Chef Rémi Jouty.

Den Analysen des Flugdatenschreibers und des Stimmrekorders zufolge manipulierte L. auf dem Weg nach Barcelona mehrmals den Autopiloten auf ungewöhnliche Weise, nachdem der Kapitän für einige Minuten das Cockpit verlassen hatte. Der Flug wurde in dieser Phase an das Kontrollzentrum in Bordeaux übergeben, das L. zu einem Sinken von 37 000 Fuß (rund 11 278 Meter) auf 35 000 Fuß aufforderte, was dieser bestätigte.

Doch stellte er kurz darauf als neue Flughöhe nur noch 100 Fuß (rund 30 Meter) ein, wechselte dann in den folgenden Minuten mehrmals zwischen der maximalen Flughöhe, mittleren Werten und erneut 100 Fuß. "Er hat diesen Handgriff wiederholt", so Jouty. Schließlich stellte L. die Flughöhe wieder nach Anweisung auf 25 000 Fuß ein, bevor der Kapitän zurück ins Cockpit kam - es war 7.24 Uhr.

Kurz vor acht Uhr morgens landete das Flugzeug in Barcelona, um eine Stunde später von dort aus in Richtung Düsseldorf aufzubrechen - wo der Airbus nie ankam: Um 9.41 Uhr zerschellte er in den französischen Alpen. Was der zuständige Staatsanwalt kurz nach dem Unglück erklärt hatte, bestätigte die BEA gestern: L. hatte den "fatalen" Sinkflug bewusst herbeigeführt und die Einstellungen der Instrumente verändert, als er alleine im Cockpit war. Er verriegelte die Tür und öffnete sie nicht mehr, obwohl die Besatzungsmitglieder lautstark darum gebeten und an die Tür geklopft hatten.

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Copiloten hatten die Ermittler in der Folge zerrissene ärztliche Atteste gefunden, die zeigten, dass der 27-Jährige am Tag des Absturzes krankgeschrieben war, dies seinem Arbeitgeber aber verheimlicht hatte. 2008/2009 hatte er seine Pilotenausbildung wegen einer psychischen Krankheit unterbrechen müssen. Laut BEA-Bericht hatte das Flugmedizinische Zentrum der Lufthansa sein Tauglichkeitszeugnis 2009 zweimal zunächst nicht erneuert, bevor er dieses schließlich doch erhielt: Jouty zufolge wurde L.'s Fall aufmerksam beobachtet.

Abgeschlossen sei die Untersuchung noch nicht. Weiter werde zur psychologischen Eignung des Copiloten ermittelt sowie hinsichtlich der "Kompromisse, die zwischen den Anforderungen an die Sicherheit, vor allem infolge der Attentate des 11. September, und den Sicherheitsvorschriften der Flüge gemacht wurden". Seit den Terror-Angriffen in den USA können von innen verriegelte Cockpits nicht mehr von außen geöffnet werden. Das hat L. die Ausführung seiner Tat ermöglicht.

Das kurzzeitige Einstellen niedriger Flughöhen durch den Copiloten war nach Pilotenangaben übrigens außerhalb des Cockpits nicht zu bemerken. "Das hätte man weder als Passagier noch von der Flugsicherung her merken können", sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Markus Wahl, gestern. Der BEA-Zwischenbericht habe insofern nicht viele neue Erkenntnisse gebracht. Dennoch werde unter den Piloten jedes neue Detail, das zu dem Fall aufgedeckt werde, mit großer Bestürzung aufgenommen. ga/dpa

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