"Veggie-Revolution" Die Nachfrage nach fleischloser Ernährung steigt

DÜSSELDORF · Ob Aldi oder Edeka: Alle großen deutschen Handelsketten haben inzwischen Vegetarier und Veganer als Kunden entdeckt. Sogar große Wursthersteller setzen immer häufiger auf fleischlose Produkte. Ein Fachblatt spricht schon von der "Veggie-Revolution".

Vegane und vegetarische Lebensmittel vom Soja-Schnitzel bis zum Fruchtgummi ohne Schweinegelatine erobern immer mehr Regale in den deutschen Supermärkten. Nach einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) haben sich die Umsätze mit Fleischersatzprodukten und pflanzlichen Brotaufstrichen in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt. Die Nachfrage nach Wurst sank dagegen seit 2008 laut GfK mengenmäßig um acht, die nach Fleisch sogar um neun Prozent.

Das Fachblatt "Lebensmittel Praxis" spricht schon von einer "Veggie-Revolution": Vegetarisch-vegane Produkte seien "das neue Lieblingskind des Handels".

Vorbei sind die Zeiten, in denen Vegetarier lange nach passenden Angeboten suchen mussten. Jetzt wirbt Aldi Süd rechtzeitig zur Grillsaison mit dem "Bio Veggie Grillsortiment" - fleischlosen Steaks und Bratwürsten. Edeka hat veganen Leberkäse aus Weizen und Soja-Filet-Steaks im Angebot. Und Deutschlands größte Drogeriemarktkette dm testet zur Zeit in 54 Filialen den Verkauf von Produkten der veganen Supermarktkette Veganz.

Selbst großen deutschen Wurst-Hersteller wie Wiesenhof, Meica und Rügenwalder sind auf den Trend eingeschwenkt und haben inzwischen auch vegetarische Alternativen zu den klassischen Wurstwaren im Angebot. Und das mit Erfolg.

"Wir haben noch kein Produkt so aus der Hand gerissen bekommen wie unsere vegetarischen Schinken Spicker."

Das sagte kürzlich der für die Produktentwicklung zuständige Rügenwalder-Manager Godo Röben in einem Interview. Das Unternehmen will bis 2020 rund ein Drittel seines Umsatzes mit fleischfreien Artikeln erzielen.

Entscheidend für das kräftige Umsatzwachstum bei vegan-vegetarischen Produkten ist nach Einschätzung des GfK-Experten Wolfgang Adlwarth, dass sich die fleischlose Bewegung aus der Nische heraus in die Mitte der Gesellschaft ausdehnt.

Auch immer mehr Verbraucher, die prinzipiell nichts gegen Fleisch hätten, reduzieren aus Tierschutz-, Umwelt- und Gesundheitsgründen ihren Fleischkonsum. Vor allem jüngere Konsumenten kaufen heute erheblich mehr Veggie-Produkte als noch vor einigen Jahren.

Trotz des aktuellen Rückenwindes ist es aber immer noch eine Minderheit, die bereit ist, völlig auf Fleisch zu verzichten. Der Vegetarierbund Deutschland (Vebu) geht von rund 7 Millionen Vegetariern und 1,2 Millionen Veganern in der Bundesrepublik aus. Das entspräche rund zehn Prozent der Bevölkerung.

Eine repräsentative Studie der Universitäten Göttingen und Hohenheim kam dagegen 2013 zu deutlich niedrigeren Zahlen. Demnach ernähren sich mittlerweile etwa 3,7 Prozent der Deutschen fleischlos. Mit 11,6 Prozent deutlich größer ist demnach die Gruppe der Gelegenheitsvegetarier oder Flexitarier.

Beim "Handelsmarkenmonitor 2015" der "Lebensmittel Zeitung" und des Marktforschungsinstituts Ipsos gaben gerade einmal 18 Prozent der befragten Konsumenten an, bewusst vegetarische Produkte einzukaufen. Bei veganen Produkten sank der Wert sogar auf 11 Prozent.

Rewe-Chef Alain Caparros betonte denn kürzlich, trotz des aktuellen Booms handele es sich noch immer um einen Nischenmarkt, nicht um eine Massenbewegung.

Wo er selbst im Streit um fleischlose Ernährung steht, daran ließ der französische Rewe-Chef, der aus seiner Begeisterung für gutes Essen keinen Hehl macht, bei dieser Gelegenheit keinen Zweifel.

"So viel Verzicht, nur um vielleicht etwas länger zu leben? Veganer sein, das wäre nichts für mich."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort