Umweltproblem in Indonesien Die Millionenmetropole Jakarta versinkt

Bangkok · Der Grundwasserspiegel fällt, die Javasee steigt. Beides zusammen ist eine Bedrohung für Indonesiens Hauptstadt. Im Norden sinkt die Stadt um 25 Zentimeter jährlich ab.

 Der zweitgrößte Ballungsraum der Welt: Im Großraum Jakarta leben 30 Millionen Menschen. Das Wasser unter der und um die Stadt wird zum existenziellen Problem.

Der zweitgrößte Ballungsraum der Welt: Im Großraum Jakarta leben 30 Millionen Menschen. Das Wasser unter der und um die Stadt wird zum existenziellen Problem.

Foto: picture alliance / dpa-tmn

Die vielen bunten Lichter über dem breiten Nylonnetz tauchen selbst die baufälligen Hütten der Elendsviertel rund um den Kali Item (Schwarzen Fluss) in ein romantisches Farbenmeer. Doch die Verschönerungsaktion zum Beginn der vierwöchigen „Asiatischen Spiele“, die gegenwärtig in Indonesiens Hauptstadt Jakarta stattfinden, geriet zum Schlag ins Kloakenwasser. Das Nylonnetz mit den Lampions kann den bestialischen Gestank nicht unter der Decke halten, den die abfallgesättigte, pechschwarze Brühe verströmt, nach der der Kali Item benannt wurde. Mögen Jakartas Stadtväter diese optische Bemäntelung für die beste Lösung halten, wird diese Strategie an anderer Stelle der Metropole nicht greifen: Teile des Nordens der Hauptstadt sacken im atemberaubenden Tempo von 25 Zentimeter pro Jahr ab, weil der Grundwasserspiegel sinkt.

Zwei Millionen Menschen leben unterhalb des Meeresspiegels

Schon jetzt leben rund zwei der insgesamt etwa 30 Millionen Menschen im Ballungsraum Jakarta tiefer als der Meeresspiegel. Ihr einziger Schutz: Ein betonierter und teilweise bröckelnder Deich, der laut hochfliegenden Plänen bald durch einen weiteren Wall an der Küste der Javasee abgelöst werden soll. Der Name, der an Indonesiens Nationalsymbol erinnert, ist Programm: Der „Große Garuda“ soll Jakarta und die Regierung des 17 000 Inseln zählenden südostasiatischen Landes vor dem Untergang retten.

Denn während Jakarta im Norden, in dem viele Angehörige der chinesischen Minderheit leben und Slumbewohner hausen, die in den Fabriken der Umgebung Arbeit finden, in zunehmend rasanterem Tempo im Sumpf des Deltagebiets mit 13 Flüssen versinkt, steigt das Meer jährlich wegen der Klimaerwärmung um drei Millimeter an. 40 Milliarden US-Dollar soll Jakartas gigantischer Wall gegen das Meer und den Untergang kosten.

Die ursprüngliche Idee, das Vorhaben mit den Steuern der milliardenschweren Bauunternehmer zu finanzieren, die vor der Küste nach dem Vorbild von Dubai eine Luxus-Enklave auf künstlich geschaffenem Land planten, scheint mittlerweile begraben worden zu sein. Hinzu kam die Erkenntnis, dass der „Große Garuda“ nicht nur Meerwasser fernhalten würde. Die Staumauer würde auch den Abfluss des Drecks verhindern, der Jakartas Wasserläufe belastet.

Jakarta, wegen seines üblen Gestanks und der verpesteten Luft nach einer wohlschmeckenden, aber kräftig stinkenden Frucht auch „Der Große Durian“ genannt, dient seit rund 2000 Jahren als Hafen. Ursprünglich von seefahrenden Hindu-Händlern gegründet, wurde es im 4. Jahrhundert nach Christus zur Hauptstadt des Sunda-Königreichs. Seinen ursprünglichen Namen Jayakarta erhielt der Hafen, nachdem im Jahr 1527 portugiesische Eroberer vertrieben worden waren. Nur rund 100 Jahre später machten die Niederlande, die sich für die zahlreichen Gewürze der Region interessierten, Jakarta zur Hauptstadt ihres Kolonialreiches Batavia. Heute ist Jakarta nach Tokio der zweitgrößte Ballungsraum der Welt.

Die japanische Hauptstadt teilt nicht nur die immense Größe mit Jakarta, sondern auch ein zentrales Problem. Tokio drohte wie Jakarta der Untergang. Doch dann griffen die Behörden ein. Sie stabilisierten den Grundwasserspiegel.

Wasserversorger liefern nur 40 Prozent des Bedarfs

In Jakarta wurde die Ursache des Problems schon lange benannt. Getan wurde wenig. Just im Norden der Megametropole, in dem der absinkende Boden Fußwege in Achterbahnen verwandelt, entstehen derzeit Dutzende von neuen Hochhausprojekten im Luxusstil.

Da die privaten Wasserversorger der Hauptstadt nur 40 Prozent der benötigten Menge liefern, greifen viele Hausbesitzer auf ein Verfahren zurück, das in der ganzen Hauptstadt angewandt wird: Sie pumpen Grundwasser in ihre Wassertanks. In den Kumpang, wie die Slums der Stadt heißen, greift diese Methode ebenso wie in Eigenheimen oder Apartmentblocks mit günstigen Ein-Zimmer-Studios. Die Konsequenz: Die Bodenschichten sacken dank Grundwassermangel in sich zusammen. Die Stadt versinkt. 90 Prozent der so entstehenden Schwierigkeiten, glauben Experten, könnten mit der Stabilisierung des Grundwasserspiegels gestoppt werden.

Gerettet würde Jakarta wohl dennoch nicht. Denn der steigende Meeresspiegel bedroht angesichts mangelnder internationaler Bemühungen, die steigenden Temperaturen und das Abschmelzen der Pole zu verlangsamen oder zu stoppen, selbst die Gebäude im Norden Jakartas, die nicht im Erdboden verschwinden.

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