20. Todestag der Königin der Herzen Dianas Leiden wird wieder lebendig

London · Am 31. August 1997 starb Lady Diana bei einem Autounfall in Paris. In Großbritannien wird der Königin der Herzen seit Wochen gedacht. Ihre Bedeutung für die Erhaltung der Monarchie wird erst mit zeitlichem Abstand sichtbar.

Ein Phänomen, was sich seit Wochen im Königreich abspielt. Diana, 20 Jahre tot, wird medial in die Öffentlichkeit zurückgeholt. Ihr Leben, ihr Leiden, ihr Vermächtnis – erzählt in Sonderbeilagen und bebildert auf Titelseiten des Boulevards. Auf TV-Sendern folgt eine Dokumentation auf die andere, immer kommen echte oder vermeintliche Diana-Kenner zu Wort, denen nach zwei Jahrzehnten eine neue Geschichte einfallen will, wo doch längst alles gesagt, geschrieben und gedeutet schien. Leibwächter melden sich mit recycelten Erinnerungen genauso wie der Biograf oder der Stimmtrainer der Prinzessin, der Aufnahmen weitergab, in denen sich Diana über ihr Sexleben mit Charles ausließ.

Der Diana-Hype in den britischen Blättern kurz vor dem 20. Todestag am 31. August nimmt absurde Züge an. „Die Aufmerksamkeit ist komplett von den Medien getrieben“, sagt Ingrid Seward, selbst äußerst beschäftigt in diesen Tagen in ihrer Funktion als Herausgeberin des „Majesty Magazine“ und Autorin von „Diana, The Last Word“. Ein bisschen erinnert alles an die Massenhysterie von 1997, die von Großbritannien in die Welt schwappte. Tausende Menschen pilgerten nach London, legten Sträuße vor dem Buckingham-Palast und Kensington-Palast und überall da ab, wo noch Platz für Blumen oder Beileidskarten war. Wildfremde Menschen nahmen sich tröstend in die Arme, weinten um eine Frau, die sie doch nie getroffen hatten, aber deren tragischer Unfalltod in Paris mit nur 36 Jahren sogar die jahrhundertealte Monarchie ins Wanken brachte.

Ein Volk kurz vor dem Nervenzusammenbruch

Königin Elizabeth II. reagierte zögerlich und zeigte so nur noch deutlicher den Kontrast zwischen dem auf Selbstbeherrschung pochenden Establishment und dem offenen und nahbaren Stil, den Diana verkörperte. Das britische Volk in kollektiver Trauer stand kurz vor dem Nervenzusammenbruch und war irgendwie selbst überrascht über die Wogen der Gefühle, die aufwallten. „Ihr Tod fegte eine alte, akzeptierte Ordnung von Protokollen und Höflichkeit weg und leitete eine neue Ära, geprägt von Mitgefühl und Liberalismus, ein“, befand die „Mail on Sunday“. Premierminister Tony Blair taufte Diana „Prinzessin des Volkes“. Millionen Menschen prägte sich das Bild ein, wie der 15-jährige Prinz William und der zwölf Jahre alte Prinz Harry am Tag der Beerdigung mit gebeugtem Haupt hinter dem Sarg der Mutter hergingen, begleitet vom Schluchzen aus der Menge.

In den vergangenen Wochen haben sich die beiden Männer ungewöhnlich offen über die Teenagerzeit geäußert, über ihren Schmerz und die überwältigende Reaktion der Bevölkerung. Die junge Generation lässt hinter die Fassade blicken und erinnert damit an die Mutter, die mit ihrer unkonventionellen Art im Hause Windsor, dessen Mitglieder für ihre „steife Oberlippe“ berühmt sind, aneckte.

Dabei ist es abseits der Medien nicht gerade einfach, die Königin der Herzen zu finden – trotz der in den Asphalt eingelassenen Bronzeplaketten, die im Zentrum Londons auf den Diana Memorial Walk hinweisen, einen fast zwölf Kilometer langen Erinnerungsweg durch vier Parks. Ihre Spuren im Alltag scheinen verblasst in zwei Jahrzehnten. Ihre letzte Ruhe fand Diana auf einer Insel in einem See des Landguts Althorps bei Northampton, weit weg vom Getöse der Metropole. Während der Boulevard ihr Denkmal in Form von Schlagzeilen zementiert, fehlte bislang eine Statue, sieht man einmal von dem geschmacklich zweifelhaften Monument im Kaufhaus Harrods ab, das im Untergeschoss des Shoppingtempels gleich neben dem Männerschuhsalon und zwischen zwei Rolltreppen Diana mit ihrem ebenfalls bei dem Unfall getöteten Partner Dodi Al-Fayed in fast verstörender Form zeigt.

Die Söhne Harry und William wollen den Umstand zum 20. Todestag ändern und ihre Mutter mit einem Denkmal in einem öffentlichen Bereich der Gärten des Kensington-Palasts würdigen. Hier hatte sie bis zuletzt gelebt, hier haben ihre Kinder Appartements, hier schildert eine Ausstellung die Wandlung von Lady Diana Spencer, der schüchternen Kindergärtnerin und Aristokratentochter, zur Modeikone, die einer ganzen Generation von Frauen als Vorbild diente. Im Buckingham-Palast, der im Sommer für eine Schau auch dem Fußvolk geöffnet ist, bewundern Besucher den Holzschreibtisch von Diana, darauf gerahmte Bilder ihrer Liebsten, Briefpapier und einen Koffer mit alten Musikkassetten. Sie hörte gerne Diana Ross, George Michael, Lionel Richie und natürlich Elton John – siehe „Candle in the Wind“, wie sich der Sänger musikalisch bei der Beerdigung von seiner Freundin, „England’s rose“, verabschiedete und so die Hymne zur Trauer schuf.

Die Royals haben ihre Lektion gelernt

Die Kinder versuchen, den Erinnerungsreigen zu lenken, etwa mit Interviews zu Diana als liebevoller, humorvoller Mutter. Zudem mit Bemerkungen zu ihrem leidenschaftlichen Engagement für Obdachlose oder beim Kampf gegen Landminen und Aids. „Ihr Vermächtnis sind ihre Söhne, die ihre Arbeit weiterführen“, sagt die royale Expertin Ingrid Seward. Und die den informellen Stil ihrer Mutter übernommen haben und sich nicht hinter den Palastmauern verschanzen. „Diana sorgte dafür, dass die royale Familie sich selbst reflektieren musste und so erkannte, dass sie sich vorwärts bewegen muss, um zu überleben.“ Die Windsors hätten sich in gewissem Maße der Forderung der Öffentlichkeit gebeugt, Gefühle zu zeigen. Dass das Königshaus heute so beliebt dasteht wie selten zuvor, ist zu großen Teilen Diana zu verdanken, die im wahrsten Sinne vom Hof gejagt wurde. Aber die Royals haben ihre Lektion gelernt – aus jener Woche vor 20 Jahren.

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