House of Cards Das Kartenhaus wackelt

Als Ingmar Bergman 1973 die sechsteilige Serie "Szenen einer Ehe" ins Fernsehen brachte, stieg in Schweden der Legende nach die Scheidungsrate. Die Selbstzerfleischungen eines Mittelschicht-Ehepaares trafen einen gesellschaftlichen Nerv.

 Der Präsident und sein Werkzeug: Kevin Spacey (links) und Michael Kelly als Doug Tamper.

Der Präsident und sein Werkzeug: Kevin Spacey (links) und Michael Kelly als Doug Tamper.

Foto: Netflix

Wenn der Bund fürs Leben nur noch aus Lügen, Irrtümern und hässlichen Wahrheiten besteht, ist es Zeit zu gehen. Die letzte Szene der 39. Episode der kultisch verehrten Polit-Serie "House Of Cards" atmet den Geist von Marianne und Johan. Jedenfalls in homöopathischen Dosen.

Claire (Robin Wright), die kalt fischige Präsidenten-Gattin des allein durch Mord, Ranküne, Intrige und üble Nachrede ins höchste Amt des Staates gekommenen Frank Underwood (Kevin Spacey), hat genug von den Loyalitätsansprüchen ihrer schlechteren Hälfte. Anstatt im nächsten Flugzeug Richtung New Hampshire zu sitzen, um dem Mann im Wahlkampf wie im Ehedrehbuch vorgeschrieben das treu lächelnde Frauchen zu geben, bricht die von Ehrgeiz zerfressene Schönheit aus. "Gone Girl" sozusagen. So wie der gleichnamige Film von David Fincher heißt, der auch bei "House Of Cards zum Team der Regisseure gehört. Abspann. Sense. Mehr wird nicht verraten.

Ein Szenario wie gemacht für eine vierte Staffel, die nach den Produktions-Gepflogenheiten des weltweit expandierenden Internet-Unterhaltungsdienstleisters Netflix wohl pünktlich zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 ausgestrahlt würde. Dann mit Claire Underwood im erdachten und Hillary Clinton im echten Leben?

Wer Beau Willimon, den an Washingtons brutaler Machtmechanik geschulten Drehbuchschreiber und Produzenten der Serie danach fragt, bekommt für den Verweis auf Ingmar Bergman ein "großes Kompliment und Dankeschön" zu hören. Und das Bekenntnis: "Ja, ich habe mich unterbewusst von ,Szenen einer Ehe? beeinflussen lassen." Was eine vierte Staffel angeht, schweigt Willimon vertragskonform. "Die Leute sollen sich doch erst einmal an der neuen Reihe erfreuen." Nur wird die Freude diesmal nicht durchgängig sein. Das Kartenhaus steht noch. Es ist ansehnlich. Aber es wackelt.

Wer die 13 neuen Folgen, die seit gut einer Woche bei Netflix/USA (und Sky Deutschland) in Häppchen oder in einem Rutsch gesehen werden können, hinter sich hat, spürt wie Doug Tamper, Underwoods Zuschläger für alles, dem diesmal elend viele Sendeminuten gewidmet werden, Ernüchterung.

Man versteht zwar besser, wenn Willimon im Interview mit dieser Zeitung sagt: "Es ging uns in erster Linie nie um das Politische, sondern um die Ehe der beiden und was Macht mit zwei Menschen anstellen kann." Uneingeschränkt toll finden muss man das aber nicht. Nicht nach zwei Vorgänger-Staffeln, in denen die fiktive, herrliche Verkommenheit des politischen Zirkus in Washington in rasantem Tempo und vielen Neben-Erzählungen brillant vorgeführt wurde und dabei nicht selten reale Züge trug.

Das liegt vor allem daran, dass Beau Willimon (anders als Bergman) die Selbstentblößungen seines Paares, das ständige Taktieren und Belauern, die Zweifel, das banale Böse des zwischenmenschlichen Alltags mit einer cartoonhaften Unterkühltheit inszeniert. Von wenigen Ausbrüchen der Emotion abgesehen, erinnern die Hauptfiguren an die Zombie-Reihe "The Walking Dead". Nur, dass dort mit herzhaftem Biss gemeuchelt wird. Nicht mit stoischen Blicken, an denen man sich, sorry Claire, irgendwann sattsieht.

Gewiss, Claire und Frank Underwood (oder Francis, wie nur sie ihn nennen darf) sind immer noch wie zwei prächtige Vipern. Ständig auf der Suche nach Beute. Ihr Machthunger ist unstillbar. Aber anders als auf dem faszinierenden Weg ins Oval Office, als jeder noch so diabolische Schachzug des Power-Paars am Ende ein Matt für den Gegner bedeutete, sind die Underwoods als "First Couple" von Mungos umzingelt, die immer näher kommen.

Und unter Druck wird ihre Einheitsfront als Fassade enttarnt. Mit jeder Niederlage, die der Machiavelli-Verschnitt erleidet, meist verschuldet durch Hybris und seine auf Mobbing gründende Ansprache, desto häufiger steht Claire Underwood auf der Stirn geschrieben: Wieso eigentlich der? Präsident(in) könnt? ich besser. Wohlan, zeigen Sie, was Sie können, Commanderin-in-Chief!

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