Wieder Häftlinge ermordet Brasiliens Gefängnisse außer Kontrolle

Natal · Seit Jahresbeginn sind über 120 Häftlinge in Brasilien umgebracht worden, teilweise wurden sie geköpft. Ein Grund sind Bandenkriege, die sich hinter den Mauern fortsetzen - und die Überfüllung der Gefängnisse. Die Regierung spricht von einem Pulverfass.

 Die Regierung des Bundesstaats Rio Grande do Norte hatte Verstärkung der Gefängnismannschaften durch die Polizei gefordert, nachdem die Aufstände in den Haftanstalten seit 2015 zugenommen haben.

Die Regierung des Bundesstaats Rio Grande do Norte hatte Verstärkung der Gefängnismannschaften durch die Polizei gefordert, nachdem die Aufstände in den Haftanstalten seit 2015 zugenommen haben.

Foto: Ney Douglas/Archiv

Bei einem erneuten Massaker zwischen rivalisierenden Banden sind in einem brasilianischen Gefängnis 26 Menschen ums Leben gekommen.

Nach Angaben des Vize-Direktors des Gefängnisses Alcaçuz nahe der nordostbrasilianischen Stadt Natal, Juciélio Barbosa, sind weitere Unruhen zu befürchten. Viele Gefangene seien auf die Dächer geflüchtet, sagte er dem Portal "Folha de S. Paulo". Die Polizei hatte nach Kämpfen zwischen dem Primeiro Comando da Capital und dem Sindicato do Norte das Gefängnis am Sonntag gestürmt, aber auch am Montag war die Lage noch nicht unter Kontrolle. Seit Jahresbeginn starben bei Gefängnisunruhen mehr als 120 Menschen in Brasilien.

In vielen Gefängnissen toben Stellvertreterkriege zwischen dort einsitzenden Mitgliedern von Banden, die um die Kontrolle des Drogenhandels kämpfen. Hinzu kommen eine katastrophale Überfüllung und mangelhafter Schutz durch die Sicherheitsbehörden. Nach Angaben des Justizministeriums sitzen 622 000 Häftlinge in Gefängnissen mit einer Gesamtkapazität von nur 372 000 Plätzen ein.

Die jüngsten Kämpfe wurden offensichtlich von Gangmitgliedern außerhalb der Haftanstalt unterstützt. Kurz zuvor hätten sich Männer in einem Auto dem Gefängnis genähert und Waffen über die Mauer geworfen, sagte die Präsidentin der Gewerkschaft der Justizvollzugsbeamten, Vilma Batista, der Zeitung "O Globo".

Das Primeiro Comando da Capital ist die größte kriminelle Organisation des Landes und hat ihre Hochburg in der Millionenmetropole São Paulo. Das Sindicato do Norte kämpft um die Kontrolle des Drogenhandels im Nordosten. Sechs Rädelsführer seien identifiziert wurden und sollten in andere Gefängnisse verlegt werden, sagte der örtliche Justizminister Walber Virgolino.

Im Bundesstaat Paraná erschossen am Sonntag Beamte der Militärpolizei zwei Häftlinge auf der Flucht. Zuvor waren 30 Gefangene aus einer Haftanstalt getürmt, nachdem mutmaßliche Bandenmitglieder die Gefängnismauer von außen gesprengt hatten.

"Das System ist schon lange überlastet. Das Problem hat sich mit jeder Regierung verschärft", sagte Justizminister Alexandre de Moraes. "Uns fehlen fast 300 000 Haftplätze. Das hat das System in ein Pulverfass verwandelt." Staatspräsident Michel Temer rief die Sicherheits- und Justizminister der Bundesstaaten für Dienstag zu einer Krisensitzung zusammen. Nach den USA, China und Russland ist Brasilien das Land mit der höchsten Zahl an Gefangenen weltweit.

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