Bericht an das Innenministerium Bochumer Polizei hält Vergewaltigung unter Verschluss

Bochum · In Bochum ist eine 33-jährige Frau vergewaltigt worden, die Polizei hält das Verbrechen jedoch unter Verschluss. Der Tatverdächtige ist Teilnehmer eines Resozialisierungsprogramms.

Es ist eine besonders abscheuliche Tat, die in der vertraulichen WE-Meldung (wichtiges Ereignis) des Polizeipräsidiums Bochum an das NRW-Innenministerium geschildert wird. In der Meldung steht, dass am Morgen des 18. Februar in Bochum eine 33-Jährige auf einem Friedhof mehrfach vergewaltigt worden ist. Die Sicherheitsbehörden halten den Sachverhalt unter Verschluss (VS - nur für den Dienstgebrauch). Möglicher Grund: Der 30 Jahre alte Tatverdächtige ist ein "Kurs"-Proband.

"Kurs" steht für Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in Nordrhein-Westfalen. Es ist eine ressortübergreifende Verwaltungsvorschrift von Innen-, Justiz- und Arbeitsministerium mit der Zielsetzung, die Allgemeinheit bestmöglich vor besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern zu schützen. Sie soll verhindern, dass gefährliche Menschen nach der Haftentlassung in die Anonymität abrutschen und neue Sexualdelikte begehen.

Polizei bestätigt Fall

Die Polizei Bochum wollte sich nicht zu dem Fall äußern. "Wir können den Fall bestätigen. Wir haben Haftantrag gestellt. Und dieser ist am 22. Februar auch vom Amtsgericht erlassen worden. Seitdem sitzt er in Haft", sagt der Bochumer Oberstaatsanwalt Paul Jansen dazu. "Er hat zuvor bereits zwei einschlägige Sexualdelikte in den Jahren 2009 und 2010 begangen", sagt Jansen. Das Innenministerium ist am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen gewesen.

Innerhalb der Polizei gibt es Stimmen, die sich darüber ärgern, dass so ein Fall unter Verschluss gehalten wird. "Die Öffentlichkeit hat aus meiner Sicht ein Recht darauf, zu erfahren, dass von verurteilten Sexualstraftätern eine reale Gefahr ausgeht, wenn sie wieder draußen sind", sagt ein leitender Kriminalbeamter.

Dem Ministerium ist die Gefahr bekannt

"Wenn etwas so Schreckliches wie in Bochum passiert, dann muss das auch beim Namen genannt werden", sagt er. "Wenn man so eine wichtige Information zurückbehält, denken die Leute doch, dass alles in Ordnung sei und die 'Kurs"-Teilnehmer nicht rückfällig werden." Der Kriminalbeamte verweist darauf, dass Sexualdelikte in der Regel veröffentlicht werden.

Die Gefahr für die Allgemeinheit ist den Ministerien bekannt. "Sexualstraftäter bedeuten für die Gesellschaft ein großes Risiko", heißt es im Ministeriumserlass vom 20. Februar . Demnach werden die Sexualstraftäter bei "Kurs" in die Risikogruppen A, B und C mit absteigendem Gefährdungspotenzial unterteilt. Welcher Kategorie der 30-jährige Tatverdächtige angehört, ist nicht bekannt.

Das "Kurs"-Programm gibt es seit 2010. Wie viele "Kurs"-Probanden es in NRW gibt, wird geheim gehalten. Es müssten mehrere Hundert in NRW sein, so interne Schätzungen. Ebenso wenig bekannt sind die Rückfallquoten. Dokumentiert sind zwei Fälle aus dem Raum Aachen vor fünf Jahren, wo zwei Sexualstraftäter rückfällig wurden. Beide standen auf der Liste des "Kurs"-Programms.

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