Sexuelle Nötigung Bill Cosby muss ins Gefängnis

Washington/Norristown · Bill Cosby, ein amerikanischer Super-Star, muss wegen sexueller Nötigung ins Gefängnis. Der erste Promi-Prozess im #MeToo-Zeitalter endet mit einer hohen Strafe.

 US-Entertainer Bill Cosby wird in Handschellen aus der Montgomery County Correctional Facility geführt.

US-Entertainer Bill Cosby wird in Handschellen aus der Montgomery County Correctional Facility geführt.

Foto: dpa

Es war im Frühjahr 2014, als Hannibal Buress auf offener Bühne ein amerikanisches Denkmal ankratzte. Bill Cosby, Held einer ganzen Fernseh-Generation, Vorbild und moralische Instanz für Millionen Afro-Amerikaner, sei ein Serienvergewaltiger, witzelte der Komiker über den Ur-Vater der gepflegt-ulkigen Grimasse. Worauf sich nach und nach rund 60 Frauen aus der Deckung wagten und ihre immer nach einem Muster abgelaufenen Begegnungen mit dem berühmt und reich gewordenen Mann schilderten: Sie wurden mit Pillen gefügig gemacht. Und danach sexuell missbraucht. Viereinhalb Jahre später ist das Denkmal Cosby brutal vom Sockel geholt worden.

Einer der bekanntesten Amerikaner des 20. Jahrhunderts muss im Alter von 81 Jahren für mindestens drei Jahre und höchstens zehn Jahre ins Gefängnis. Außerdem wird er bis an sein Lebensende als „gewaltbereiter Sexualverbrecher“ in der Polizei-Datenbank geführt. Das entschied Richter Steven O’Neill am Dienstag in Norristown in Cosbys Heimatbundesstaat Pennsylvania. Das ungewöhnlich klingende Urteil bedeutet, dass Cosby nach frühestens 36 Monaten für eine Freilassung unter strengen Überwachungs- und Meldeauflagen infrage kommt. "Er könnte aber auch weitere sieben Jahren inhaftiert bleiben", wie Gerichtsreporter erläuterten.

O’Neill stellte heraus, dass Cosby bis heute niemals Reue gezeigt habe. Eine Sonderbehandlung wegen seines Promi-Status’ verbiete sich, so der Richter. Cosby war im Frühjahr nach zwei spektakulären Prozessen (der erste ging 2017 ergebnislos aus) wegen sexuellen Missbrauchs der ehemaligen Sportmanagerin Andrea Constand schuldig gesprochen worden. Der preisgekrönte Spaßmacher, der auch in Deutschland als Dr. Cliff Huxtable in der Serie „Die Cosby Show“ sein treues Publikum fand, hatte die ehemalige Basketballerin 2004 in seinem Haus bei Philadelphia mit Quaaludes, einem Hypnotikum, betäubt und danach sexuell missbraucht.

Staatsanwältin forderte zehn Jahre

Laut Gesetz hätten dafür bis zu 30 Jahre Haft angeordnet werden können. Cosby hatte Constand in einem Zivilprozess 2006 die lange geheim gehaltene Summe von rund 3,4 Millionen Dollar gezahlt; eine Mischung aus Schweige- und Schmerzensgeld. Heute sagt Constand, dass Cosby sie dauerhaft schwer traumatisiert habe. „Er hat meinen wunderschönen, gesunden Jugendgeist genommen und zerquetscht.“ Der Entertainer ist damit der erste US-Prominente, der im Zeitalter der auf männlichen Machtmissbrauch zurückgehenden #MeToo-Bewegung für seine Taten büßen muss.

Der Fall des Hollywood-Riesen Harvey Weinstein, der vor einem Jahr enttarnt wurde, hatte Cosby, der bis zuletzt leutselig auf sein Image als Philanthrop verwies und stets von einvernehmlichen außerehelichen Aktivitäten sprach, kalt erwischt. Als im Prozess Missbrauchsopfer schilderten, wie sich seine Übergriffe in Hotelzimmern, an Filmsets und in Studiobüros ereignet hatten, erschien „America’s Dad“ vielen plötzlich als verachtenswerter Serientäter. Staatsanwältin Tracy Piatkowski hatte gefordert, Cosby zehn Jahre ins Gefängnis zu stecken. Sie berief sich dabei auf die Gutachterin Kristen Dudley. Die Psychologin stellte bei dem 81-Jährigen eine „sexuelle Abnormität“ fest. Sie dränge ihn unkontrollierbar dazu, Partnerinnen zu suchen, die sich nicht freiwillig mit ihm einlassen würden.

Chef-Verteidiger Joseph Green erklärte dagegen, bestärkt durch einen eigenen Psycho-Experten, dass der fast blinde und stark gehbehinderte Cosby seit 2004 nicht rückfällig geworden sei Dudleys Konter: „Nur weil es bisher nicht passiert ist, heißt das nicht, dass es nicht passieren wird.“ Dudley ging soweit, dass Cosby bereits ein neues Opfer im Visier haben könnte. Cosbys Anwälte kündigten umgehend Berufung an. Ehefrau Camille lässt prüfen, ob Richter O’Neill Befangenheit vorgeworfen werden kann. Bis zur endgültigen Entscheidung darf Cosby die Zeit aber aller Voraussicht nicht wie von vielen erwartet wurde wie bisher mit elektronischer Fußfessel im heimisches Luxus-Anwesen in Cheltenham verbringen. Er muss laut US-Medien sofort in ein Bundesstaats-Gefängnis. So tief wie er ist noch kaum ein Superstar in Amerika gefallen.

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