Prozess in Bochum Akten im Schrank gestapelt: Polizist sitzt auf Anklagebank

Bochum · Drei Jahre lang mussten sich gewalttätige Fußballfans in Bochum kaum Sorgen machen. Denn der zuständige Sachbearbeiter bei der Polizei ließ viele Akten einfach im Schrank verschwinden. Warum? Dass soll jetzt ein Strafprozess klären.

 Drei Jahre lang soll ein Polizist aus Bochum Akten über Straftaten von Fußballfans nicht bearbeitet haben. Seit Dienstag muss sich der 44-Jährige vor dem Bochumer Landgericht verantworten.

Drei Jahre lang soll ein Polizist aus Bochum Akten über Straftaten von Fußballfans nicht bearbeitet haben. Seit Dienstag muss sich der 44-Jährige vor dem Bochumer Landgericht verantworten.

Foto: dpa

Die Richter sind noch gar nicht im Saal, da hat der Polizeioberkommissar schon auf der Anklagebank Platz genommen. Immer wieder schließt er sekundenlang die Augen oder blickt zur Decke des Gerichtssaals. Drei Jahre lang soll der 44-Jährige viele seiner Akten einfach nicht mehr bearbeitet haben. Seit Dienstag steht er in Bochum vor Gericht. Der Vorwurf lautet auf Strafvereitelung im Amt - viel schlimmer kann es für einen Polizisten wohl kaum kommen.

Rund eine Stunde dauert die Verlesung der Anklage. Es geht um fast 100 Fälle - bei den meisten geht es um Straftaten von Fußballfans. Einige haben im Stadion des Zweitligisten VfL Bochum bengalische Feuer oder Rauchbomben gezündet, andere haben sich mit gegnerischen Fans geprügelt, Polizisten beleidigt oder Bierbecher und Flaschen auf Ordner geworfen. Außerdem geht es um gefälschte Eintrittskarten, Diebstähle und Sachbeschädigung.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte der Angeklagte eigentlich nur weiter ermitteln müssen. Häufig soll das auch gar nicht so schwer gewesen sein. Manchmal gab es sogar gute Fotos und Filmaufnahmen, und natürlich auch die Aussagen von Zeugen. Trotzdem soll ganz oft einfach nichts passiert sein. Immer wieder findet sich in der Anklageschrift dieser Satz: „Der Angeklagte verstaute den Vorgang unbearbeitet in seinem Schrank.“

Sogar als ein 8-jähriges Kind geschlagen wurde, soll der 44-Jährige nicht vernünftig ermittelt haben. Die Mutter selbst hatte sich acht Wochen nach dem Vorfall angeblich bei dem Angeklagten gemeldet, um mit ihrem Sohn endlich eine Aussage machen zu können. Doch auch da soll der Mann abgewiegelt haben. Die Vernehmung mache eigentlich keinen Sinn, weil auf den Videos ja nichts zu sehen sei, soll er laut Anklage gesagt haben.

Warum der Angeklagte die Akten einfach in seinen Schrank verstaut haben, ist nicht ganz klar. Zum Prozessauftakt wurde nur die Anklage verlesen. Der 44-Jährige, der vorläufig vom Polizeidienst suspendiert ist, hat sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Das soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Dass die Richter jedoch auch eine Psychiaterin und einen Psychologen hinzugezogen haben, könnte allerdings darauf hindeuten, dass nicht Faulheit die Ursache für die Nichtbearbeitung sein könnte, sondern psychische Probleme.

Eine nachträgliche Bearbeitung der Straftaten war nur noch in absoluten Einzelfällen möglich. Für eine eindeutige Identifizierung der Täter war laut Anklage meist schon zu viel Zeit vergangen. Manchmal waren auch die Aufzeichnungen nicht mehr zu finden. In wieder anderen Fällen waren Fristen abgelaufen.

Die Richter am Bochumer Landgericht haben zunächst noch sieben Verhandlungstage bis zum 28. Juni vorgesehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort