Royals und Geschichte 37 Beefeater wachen über den Tower von London

London · 35 Männer und zwei Frauen wachen als Beefeater über den Tower von London. Terry Humphries ist einer von ihnen. Eine verantwortungsvolle Aufgabe mit mancher Annehmlichkeit.

 Einer der Dienstältesten: Terry Humphries ist 56 Jahre alt und einer der 35 männlichen Beefeater im Londoner Tower.

Einer der Dienstältesten: Terry Humphries ist 56 Jahre alt und einer der 35 männlichen Beefeater im Londoner Tower.

Foto: Katrin Pribyl

Wenn er an kalten Wintermorgen die Straße mit dem Namen Water Lane hinunterläuft und der Nebel von der nahen Themse die Stadt einhüllt, fühlt sich Terry Humphries immer kurz wie ins 15. Jahrhundert versetzt. Die schweren Tore des Towers of London sind noch verriegelt, und die aufgehende Sonne kriecht an den alten Gemäuern entlang. Es herrscht Ruhe, wo schon bald Tausende Touristen über die Pflastersteine wuseln sollen. Doch außerhalb der Öffnungszeiten gehört die Anlage den Yeoman Warders wie Terry Humphries.

37 Beefeaters, so ihr Spitzname im Volksmund, bewachen den fast 1000 Jahre alten Komplex und alles, was innerhalb seiner dicken Mauern liegt. Wo einst englische Könige residierten, noble Gefangene geköpft wurden und Tiere für brutale Spektakel herhalten mussten, geben 35 Männer und zwei Frauen in ihren blau-roten Uniformröcken mit der Krone auf der Brust Einblick in die Historie. Die Uniformen, die ältesten, die bis heute weltweit getragen werden, wärmten schon die Ritter im 15. Jahrhundert unter ihren Rüstungen.

Es ist eine Mischung aus Tradition und Folklore. Die Beefeaters stehen als Symbol britischer Geschichte, aber sind mittlerweile vor allem Staffage und Fotomotiv für die knapp drei Millionen Besucher, die es jährlich in die Londoner Sehenswürdigkeit zieht. Insbesondere die Kronjuwelen locken mit funkelndem Prunk und royalem Glamour. Im sogenannten weißen Turm, dem eigentlichen Tower im Zentrum der Anlage, wird zudem eine riesige Sammlung von Waffen präsentiert.

Touristenführer und Sicherheitsbeamter

Terry Humphries bezeichnet sich als Touristenführer und Sicherheitsbeamter in Personalunion. „Wir sind die Wächter des Towers“, sagt der 56-Jährige. Gleichzeitig aber auch Anlaufstelle für Fragen, Beschwerden und verlorene Kinder. Bei allem Witz, den der Beefeater in seine Erzählungen einbaut, verweist Humphries auf den ernsten Hintergrund. „Wir bewahren die Würde des royalen Palasts, denn das hier ist nicht Disneyland.“ Er zeigt in Richtung Kapelle, vor der einige der berüchtigtsten Hinrichtungen am Henkersblock stattfanden.

Auch heute noch sind die Yeoman Warders die zeremonielle Leibwache von Queen Elizabeth II. Für die Aufnahme in den erlauchten Kreis hat sich Humphries, wie vorgeschrieben, durch 22 Jahre Zugehörigkeit in der Armee Ihrer Majestät qualifiziert. Zudem konnte er tadelloses Betragen nachweisen, ebenfalls eines der Kriterien für den begehrten Job. Das wurde notwendig, als über Jahrhunderte die Sitten verfielen. Erst Arthur Wellesley, Duke of Wellington, sorgte 1826 wieder für Zucht und Ordnung, indem er lobenswertes Benehmen als eine Voraussetzung für das Amt festsetzte. Warum sie auch Beefeaters, also Rindfleischesser, genannt werden, ist nicht völlig klar. Als eine Erklärung gilt, dass sich die gut entlohnten Mitglieder der königlichen Leibgarde, anders als das restliche Volk, eiweißreich ernähren konnten. Bis heute leben sie auf dem Gelände des Towers, dessen Bau im 11. Jahrhundert von Wilhelm dem Eroberer als Befestigungsanlage in Auftrag gegeben wurde.

Hinrichtungen außerhalb der Öffnungszeiten

Terry Humphries, seine Frau plus Tochter und Sohn bewohnen zusammen mit fünf Goldfischen, zwei Katzen und zwei Hunden ein Apartment im Außengemäuer aus der Zeit von König Heinrich VIII., jenem Tudor-Monarchen, der mit Anne Boleyn und Catherine Howard zwei seiner sechs Ehefrauen im Tower enthaupten ließ. Dort wurden auch noch Gefangene exekutiert, als er schon ein Touristenmagnet war. Die Hinrichtungen, etwa während des Ersten Weltkriegs, fanden ganz pragmatisch außerhalb der Öffnungszeiten statt.

Das Wohnrecht innerhalb der Festung steht den Yeoman Warders, damals für die Bewachung der Tore sowie Versorgung der Gefangenen zuständig, seit Jahrhunderten zu. Doch für Humphries ist es mehr als das. „Wir sind eine Gruppe Freunde fürs Leben.“ Man verreist zusammen, trifft sich abends, hat in dem Komplex einen eigenen Arzt und Vikar. Eine kleine Gemeinschaft, eingemauert inmitten der britischen Millionenmetropole. Humphries, einer der dienstältesten Guards, betont jedoch, dass auch er Miete, Heiz- und Stromkosten sowie Gemeindesteuer zahlen muss. Alles wie im echten Leben der Londoner? Nicht ganz. Zu den Privilegien gehört neben der 1-A-Lage auch der exklusive Zugang zum Pub im privaten Bereich – mit eigens für die Yeoman Warders gebrautem Bier natürlich.

Wenn sich am Abend Stille über die Festung legt, dann gehört der Tower wieder den Wächtern. Und den Raben, ebenfalls bedeutend für die Existenzsicherung der Monarchie. Die Legende besagt, dass der Tower fallen und damit das Königreich zugrunde gehen wird, sollten die sechs schwarzen Kolkraben jemals das Gelände verlassen. Den Vögeln sind deshalb die Flügel gestutzt, und sie werden von einem Rabenmeister betreut – nur zur Sicherheit.

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