Botschafter der Arktis „Ich hoffe, Sie werden niemals nach dem Preis für Ihre Heimat gefragt“

Vor dem 21. UN-Klimagipfel in Paris Ende 2015 hatte Esau Sinnok (19) der US-Regierung geschrieben und in einem Essay seine Lebenssituation beschrieben. So wurde Sinnok Botschafter der Arktis und reiste nach Paris. Auszüge aus seinem Essay:

 Esau Sinnok berichtete der US-Regierung, wie der Klimawandel seine Heimat vernichtet.

Esau Sinnok berichtete der US-Regierung, wie der Klimawandel seine Heimat vernichtet.

Foto: Sinnok

„Schließen Sie Ihre Augen und erinnern Sie sich an Ihre schönsten Erlebnisse mit Ihrer Familie und Ihren Freunden. Ich hoffe, Sie werden im Zuge des Klimawandels niemals nach dem Preis für ihre Heimat gefragt. Willkommen in Shishmaref, Alaska, Bevölkerung: 650.Wir sind eine kleine Iñupiaq-Gemeinde, in der jeder jeden kennt. Shishmaref ist eine Düneninsel, die in den letzten 50 Jahren zunehmend erodiert und überflutet wird – lange bevor der Klimawandel als fundamentale Veränderungskraft erkannt wurde.

Während meiner Lebenszeit habe ich viele ungewöhnliche Wetter gesehen, die ältere Mitbürger bisher nicht erlebt hatten. Es regnet im Winter, und das Eis kommt jedes Jahr später. Mein Großvater erinnert sich an die Zeit vor 30 bis 35 Jahren, als das Eis mit voller Wucht Ende September, spätestens Mitte Oktober kam. Nun ist es Dezember, eine Eisschicht ist entstanden, die gerade ausreicht, sie halbwegs sicher zu betreten.

Der Eismangel beeinflusst unsere Art zu jagen und zu fischen und andere Traditionen. Wir benutzen handgemachte Holzboote zur Jagd und zum Fischen. Jedes Jahr wird es härter und härter, um genug Fleisch für den Winter zu fangen. Frost- und Weißfisch bilden einen großen Teil unserer Winterernährung, aber seitdem das Eis immer später kommt, ist es schwieriger, ausreichend Vorräte anzulegen. Unser Dorf ist so weit abgelegen, dass es nur über Flugzeuge erreichbar ist. Frische Nahrung bekommen wir deshalb nur alle zwei Monate. Wenn wir nicht genug jagen und fischen, werden wir verhungern. (...)

Wir haben realisiert, dass wir keine Wahl haben. Es ist wirklich sehr schmerzhaft zu wissen, dass unsere Heimat begonnen hat unterzugehen und dass du nicht mehr so jagen und fischen kannst, wie es deine Vorfahren viele Jahrhunderte getan haben. Es ist mehr als der Verlust eines Ortes, es ist der Verlust von Identität.

Trotz dieser Wirklichkeit genieße ich es, jeden Morgen das erwachende Leben in Shishmref zu sehen und dass ich fähig bin, diesen Ort meine Heimat zu nennen. Bis jetzt. Es ist inzwischen zu spät, diese Insel mit Shishmaref noch zu retten. Wir haben nur die kleine Hoffnung, dass wir unsere Traditionen und Kultur retten.

Ich hoffe, dass die Führer dieser Welt meine Botschaft hören und einen Wechsel vollziehen, der nicht nur ein politisches Thema ist. Es ist meine Zukunft.“

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