"Der kleine Lord" und Co. Warum laufen an Weihnachten immer die gleichen Filme im TV?

Bonn · "Der kleine Lord", "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" oder auch "Stirb langsam": Warum locken uns immer die gleichen Filme an Weihnachten an die Fernseher? Was zeichnet diese Filme aus?

Der Christstollen auf dem Kuchenteller, der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt oder auch "Last Christmas" im Radio: Manche Dinge gehören unweigerlich zur Advents- und Weihnachtszeit dazu. Viele verbinden mit dem Weihnachtsfest noch etwas ganz anderes: Filme wie "Der kleine Lord" oder auch "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" werden Jahr für Jahr rund ums Fest ausgestrahlt, und Jahr für Jahr setzen sich Familien vor den Fernseher, um die Klassiker zu gucken. Doch warum sind es immer die gleichen Filme, die die Zuschauer rund um die Feiertage an die Bildschirme locken? Was macht diese Weihnachtsfilme aus?

"Das gemeinsame Filmeschauen an Weihnachten hat etwas Rituelles", erklärt Professorin Britta Hartmann von der Universität Bonn. Der Fernseher war lange der Bezugspunkt in einem Wohnzimmer, das Lagerfeuer, um das sich die Familie versammelt hat. "Wir kommen zusammen und sammeln uns um das Lagerfeuer. Nur dass statt eines Feuers gemeinsam ein Film geschaut wird." Weihnachtszeit sei auch immer Familienzeit.

"Ein gemeinsames Erlebnis"

Vor allem zwei Aspekte spielen rund um das Thema Weihnachtsfilme eine tragende Rolle. "Der Weihnachtsfilm, wenn wir ihn so nennen wollen, schafft, dass wir etwas gemeinsam erleben", so die Expertin und sie vergleicht dies mit dem Kirchgang zum Fest: "Es ist ein sicheres gemeinsames Erlebnis."

Neben dem gemeinsamen Erlebnis ist auch der Inhalt der Filme entscheidend. Klassiker wie "Der kleine Lord" oder "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" sind Filme voller Emotionalität und Sentimentalität. Sie bieten laut Hartmann eine "Programmierbarkeit der Gefühle". Der Zuschauer weiß genau, dass er diese traurigen und glücklichen Gefühle erleben wird und vertraut auf diese "Kraft der Wiederholung". Die Filme schafften außerdem in den Tagen und Stunden des Essenkochens, der Einkäufe und der letzten Vorbereitungen einen Punkt um runterzukommen.

Überhöhung des Weihnachtsfestes

Gemein ist diesen und weiteren Filmen wie "Kevin allein zu Haus" oder "Ist das Leben nicht schön" ihr Happy End. Aus diesem Grund und da er an Weihnachten spielt, gehört auch "Stirb langsam" in diese Reihe. Aber nur der erste Film, an dessen Ende Bruce Willis als Actionheld das Weihnachtsfest doch noch besinnlich mit seiner Familie feiern kann. "In diesen Filmen wird das Weihnachtsfest und auch das Zusammensein überhöht", nennt Britta Hartmann ein gemeinsames Kriterium dieser Filme. Allen Widrigkeiten der Figuren zum Trotz: "Am Ende müssen alle unterm Weihnachtsbaum sitzen."

Warum gibt es so viele Weihnachtsfilme, aber kaum Osterfilme? Auch da kommt die Familie zusammen, die Abläufe sind bei vielen jedes Jahr ähnlich. Dass diese Form des Zusammenkommens und Erlebens dieser sicheren Gefühle rund um den 24. Dezember so ausgeprägt ist, hat einen einfachen Grund. "Weihnachten ist das letzte große Fest, wo wir an diesen Ritualen festhalten", meint die Filmwissenschaftlerin. An Ostern gebe es dies zwar auch, jedoch in deutlich geringerem Maße.

Der Trend der Weihnachtsfilme ist nicht neu. Zwischen 1960 und 1995 strahlte die ARD bereits jedes Jahr an Heiligabend "Wir warten aufs Christkind" aus. Mit dem Nachmittagsprogramm sollte Kindern die Zeit bis zur Bescherung vertrieben werden. Seit 2001 wartet der WDR gemeinsam mit den kleinen Zuschauern aufs Christkind. Mit "Der kleine Lord" versüßt die ARD ihren Zuschauern bereits seit 1982 jedes Jahr, in diesem Jahr am Freitag, 22. Dezember, um 20.15 Uhr, das Fest.

Kommt die Familie an Weihnachten bald zu einer Serie zusammen?

Erwachsene gucken häufig die Filme, die sie früher bereits an Weihnachten gesehen haben. "Man wird in seine eigene Kindheit zurückversetzt", sagt Britta Hartmann. Die immerwährende Wiederkehr der alten Klassiker zeigt auch, dass neuere Filme es schwer haben, sich als Weihnachtsfilm zu etalieren.

Wie das in Zukunft aussieht, ist für die Professorin ungewiss: "Das Fernsehen verliert seine Bedeutung." Serien würden vor allem bei jüngeren Menschen in Zeiten von Streamingdiensten eine immer größere Bedeutung einnehmen, sagt sie. Kommt die Familie also demnächst an Weihnachten zusammen, um Serien zu gucken? Eine Antwort darauf gebe es heute noch nicht, auch dürften diese Weihnachtsfilme noch lange andauern, dennoch steht laut Hartmann eine Frage mit der Zukunft des Fernsehens im Raum: "Wenn dieser Taktgeber, dieses Ritual, wegfällt, wonach richten wir uns dann?"

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