Die Verführten Sofia Coppola und der gefährliche Reiz einsamer Frauen

München · Sofia Coppola liebt Filme mit ungewöhnlichen Frauen, so auch in ihrem Drama "Die Verführten". Ein verwundeter Soldat landet in einem Mädchenpensionat, als einziger Mann. Eine reizvolle Konstellation, fand Coppola. Und gefährlich. Fragt sich bloß, für wen.

 Sofia Coppola blättert in "Die Verführten" die verschiedenen Facetten von Frauen auf.

Sofia Coppola blättert in "Die Verführten" die verschiedenen Facetten von Frauen auf.

Foto: Vittorio Zunino Celotto/Archiv

Frauen, die isoliert von der Außenwelt leben und in der Abgeschiedenheit mit widerstreitenden Gefühlen, Ängsten und Eifersucht konfrontiert sind: Ein Lieblingsthema der US-Regisseurin Sofia Coppola, das sie auch in ihrem neuen Film "Die Verführten" aufgreift.

Im amerikanischen Bürgerkrieg findet ein verletzter Soldat Zuflucht in einem Mädchenpensionat. Die Bewohnerinnen geraten in ein Gefühlschaos, das auf einen dramatischen Höhepunkt zusteuert.

Für Coppola reizvoll, vor allem wegen der starken Frauenfiguren. Sie sei inmitten von Männern aufgewachsen, "deshalb fühle ich mich so hingezogen zu weiblichen Charakteren", sagte die 46-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur auf dem Filmfest in München, wo das Drama mit Kirsten Dunst, Nicole Kidman, Colin Farrell und Elle Fanning am Montagabend Deutschlandpremiere feierte.

Ihr Film beruht auf einem Roman von Thomas Cullinan und wurde bereits 1971 von Don Siegel verfilmt, mit Clint Eastwood in der Rolle des verletzten Soldaten. Anders als Don Siegel erzählen Sie die Geschichte aus der weiblichen Perspektive. Wie kam es dazu?

Sofia Coppola: Es ist eine Geschichte über Frauen, und der Film von Don Siegel erzählt sehr stark aus der Perspektive von Männern. Ich wollte die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erzählen. In seiner Version gehen die Frauen sehr verrückt mit ihrer Sexualität und ihrem Verlangen um. Ich wollte die weibliche Sicht der Dinge zeigen und das etwas normaler gestalten. Frauen kommunizieren ganz anders, sie sagen viel mehr ohne Worte. Sie reden mit Blicken, mit dem Ton ihrer Stimme. Männer reden eher und sind körperlicher. Das wollte ich näher erforschen.

Anfangs wirken die Frauen friedlich und unschuldig, in ihren weißen und pastellfarbenen Kleidern und mit ihren schönen Frisuren. Doch bald treten erschreckende Züge zutage. Werden Frauen in der Hinsicht oft unterschätzt?

Coppola: Auf jeden Fall. Frauen werden oft unterschätzt. Ich wollte zu Beginn eine ganz harmlose, grazile und sehr feminine Welt zeigen. Vor allem die Frauen aus dem Süden der USA sind nicht als sehr bedrohlich bekannt. Aber natürlich können auch sie stark und sogar brutal sein, wenn es notwendig ist.

Für die beiden Pädagoginnen und ihre fünf Schülerinnen ist der apathisch daliegende Soldat wie eine Puppe, mit der man spielt und die man sogar gefahrlos küssen kann. Der Mann wird zum Objekt, und die Frauen bestimmen den Ton. Was reizte Sie an dieser Konstellation?

Coppola: Ich fühlte mich der weiblichen Sicht sehr verbunden. Natürlich kann ich mich mit den Charakteren identifizieren, ich sehe die verschiedenen Facetten von Frauen, mit Stärke aber gleichzeitig auch Verletzlichkeit. Ich wollte diese verschiedenen Schichten zeigen.

Wie haben Sie Farrell davon überzeugt, die Rolle des Soldaten zu übernehmen, als einziger Mann unter sieben Frauen, der noch dazu lange Zeit hilflos im Bett liegt?

Coppola: Colin ist sehr charmant, und er hat sofort verstanden, wie ich mir den Film vorstellte. Ein Schauspieler muss schon sehr selbstbewusst sein, sich in so eine schwache Position zu begeben, in der er von starken Frauen umringt ist. Aber er hat es toll gemacht.

Wie haben Sie die Dynamik am Set erlebt?

Coppola: Die Schauspielerinnen hatten Spaß. Es ist ungewöhnlich, dass Männer zum Objekt werden. Und Colin war kein Spielverderber. Er hatte auch Freude daran, von lauter Frauen umgeben zu sein. Die Atmosphäre am Set war sehr vergnüglich. Auch hinter der Kamera waren viele Frauen dabei, das ist ungewöhnlich. Es war sehr schön.

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