Disco-Hits Musical "Priscilla" am Münchner Gärtnerplatz

München · Das Münchner Gärtnerplatztheater bringt die Musicalversion des Kinohits "Priscilla - Königin der Wüste" in deutscher Erstaufführung heraus. Ein unterhaltsamer, wenn auch selbstbezogener Abend.

 Szene aus dem Musical "Priscilla - Königin der Wüste" im Staatstheater am Gärtnerplatz in München.

Szene aus dem Musical "Priscilla - Königin der Wüste" im Staatstheater am Gärtnerplatz in München.

Foto: Marie-Laure Briane

Eine schrill herausgeputzte Dragqueen im Film, die in einem riesigen, pinken Stöckelschuh auf dem Dach eines klapprigen Busses durchs australische Outback schwebt, war eine Stilikone der 90er Jahre. Die Botschaft dazu ist unmissverständlich: Toleranz gegenüber Menschen, die anders sind und anders leben als die große Mehrheit, muss es bis ins hinterste Hinterland schaffen.

Nach zwei Jahrzehnten schmeckt die einst revolutionäre Botschaft fast schal - auch am Donnerstagabend bei der gefeierten Premiere des Musicals "Priscilla - Königin der Wüste" im Münchner Gärtnerplatztheater.

Die mit vielen, vor allem in der Homo-Community beliebten Disco-Hits der 70er und 80er Jahre von Abba bis Tina Turner garnierte Story dreier Travestiekünstlerinnen, die in ihrem Bus "Priscilla" durch die australische Wüste touren, war in München zum ersten Mal im deutschen Sprachraum in der 2006 in Sydney uraufgeführten Musicalversion zu sehen. Die Kinofassung wurde 1994 zu einem weltweiten Überraschungserfolg und bekam sogar einen Oscar.

Für Josef E. Köpplinger, den erfolgreichen Intendanten des Gärtnerplatztheaters, war die deutschlandweit beachtete Neuinszenierung ein Heimspiel. Gefühlt neunzig Prozent der Münchner Schwulenszene hatte sich im frisch renovierten Haus eingefunden. Darunter viele ergraute Köpfe, die sich im Takt der einstigen Hits aus der verruchten Kampfzeit wiegten. Immer wieder gab es Szenenapplaus, wenn die drei schrillen Damen-Herren Tick, Bernadette und Adam ihre eindeutig-zweideutigen Zoten ("Du läufiges Opossum!") zum Besten gaben.

Regisseur Gil Mehmert hatte das alles flott und unterhaltsam auf die von Jens Kilian für die Adaption eines Roadmovies zu kleine Bühne gebracht mit farbenfrohen, aber nicht immer exakten Choreographien von Melissa King, darunter ein herzallerliebstes Cupcake-Ballett.

Die sängerischen Leistungen der Darsteller blieben hinter der Präsentation ihrer meist makellosen Sixpacks zurück. Am überzeugendsten in seiner Trümmertuntenrolle wirkte Erwin Windegger als Bernadette, während ausgerechnet Armin Kahl in der Hauptrolle des Tick blass blieb.

Die Story selbst gibt nicht allzu viel her, außer dass sich Tick zum Entsetzen von Bernadette und Adam als verheirateter Kindsvater entpuppt und die drei Dragqueens in einem Bergarbeiterkaff nicht wirklich willkommen sind. Dass sich ausgerechnet ein australischer Aborigine dank eigener Ausgrenzungserfahrung mit den Outcasts anfreundet, gehört zum politisch korrekten Standardrepertoire.

In dieser reichlich angejahrten Toleranzoper werden die alten (westlichen) Errungenschaften gefeiert. Von den aktuellen Herausforderungen, dem Wiederaufflammen von Schwulenfeindlichkeit oder Antisemitismus - auch im Zuge der Einwanderungswelle aus dem arabisch-muslimischen Raum - keine Spur. Da hätte man ja womöglich die eigene Toleranz in Frage stellen müssen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Eine Szene aus „One Life“: Anthony
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony HopkinsHeld ohne Heldenpose
Aus dem Ressort