Schönheit statt Schande Matera feiert sich als Kulturhauptstadt

Matera · Für den armen Süden Italiens soll es ein Leuchtturmprojekt werden: Matera ist Kulturhauptstadt. Die Unesco-Stadt hat sich wahrlich von ganz unten wieder aufgerappelt. Andere Städte können etwas lernen.

 Der italienische Präsident Sergio Mattarella(r) bei der Eröffnungsfeier der europäischen Kulturhauptstadt Matera.

Der italienische Präsident Sergio Mattarella(r) bei der Eröffnungsfeier der europäischen Kulturhauptstadt Matera.

Foto: Paolo Giandotti/Italian Presidency

Tausende Lichter erleuchten den ehemaligen "Schandfleck" Italiens: Die süditalienische Stadt Matera hat das Jahr als europäische Kulturhauptstadt mit einer großen Feier eröffnet. Bands aus der Region Basilikata und aus ganz Europa zogen am Samstag zum Auftakt durch die Stadt, die für ihre Höhlensiedlungen bekannt ist.

Dort lebten die Bewohner einst in primitivsten Verhältnissen. Als Kulturhauptstadt zeigt Matera nun, dass diese Zeiten längst vorbei sind und dass Kunst und Kultur dem ärmeren italienischen Süden dienen können.

Unter dem Motto "Open Future" finden in dem Ort - der mittlerweile zum Unesco-Kulturerbe gehört - das ganze Jahr über Ausstellungen, Konzerte, Workshops und andere Events statt. Am Samstagabend wurden die Höhlensiedlungen, genannt "Sassi", mit tausenden Lichtern erleuchtet, Künstler tanzten in leuchtenden Kostümen, und ein weißes Engelwesen schwebte an einem großen Mond durch die Luft. Licht als Symbol für Erleuchtung.

Staatspräsident Sergio Mattarella sprach von einem "wichtigen Tag" für Matera, für Italien und für ganz Europa. "Europäer zu sein ist heute unauslöschbarer Teil unserer eigenen nationalen Identitäten", sagte er. "Matera wird für dieses Jahr das Bild Europas sein, weil es verstanden hat, seine Ursprünge neu zu überdenken und ihnen neuen Wert zu geben."

Bis vor einigen Jahrzehnten war Matera noch als "nationale Schande" verpönt. Mittlerweile ist der Ort ein Geheimtipp für Italien-Touristen. Dort, wo diese heute in urigen Gewölben gediegen essen oder teils luxuriös unterkommen, lebten bis in die 50er Jahre Menschen unter desaströsen Zuständen. In den Höhlen war es dunkel und feucht, es grassierten Krankheiten. Rund 17 000 Menschen mussten schließlich die Stadtviertel Sasso Caveoso und Sasso Barisano verlassen. Der drohende Verfall der "Sassi" wurde gestoppt: 1986 wurde ihre Erhaltung und Sanierung angeordnet, 1993 wurden sie zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt.

Die Regierung sieht in der Aufwertung der Stadt ein Hoffnungssignal für den ärmeren "Mezzogiorno" des Landes. "Dies ist die Rückeroberung von Matera und des ganzen Südens", sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte. Auch Kulturminister Alberto Bonisoli hob hervor, dass Matera ein Beispiel für Süditalien sein kann. "Es ist ein Beispiel dafür, dass Kultur ein entscheidender Faktor ist."

Die Europäische Kulturhauptstadt ist eine Initiative der EU. Neben Matera trägt in diesem Jahr das bulgarische Plowdiw den Titel. Dort fand die offizielle Eröffnung bereits vor einer Woche statt.

Die Themen im Jahr als Kulturhauptstadt sind eng mit der Identität und Geschichte Materas verknüpft, können aber auf ganz Europa übertragen werden. Beispielhaft dafür ist die Ausstellung "Ars Excavandi". Sie setzt sich mit Architektur und Zivilisation in zerklüfteter Landschaft auseinander - ein Thema, das in Matera allgegenwärtig ist.

Zuletzt verzeichnete die Stadt mit ihrer Jahrtausende alten Geschichte Jahr für Jahr Besucherzuwächse - und die Kulturhauptstadt soll noch mehr Touristen anlocken. Man rechne in diesem Jahr mit 800 000 Übernachtungen, sagt der Sprecher für Matera 2019, Serafino Paternoster. Das wäre fast eine Verdoppelung im Vergleich zu 2017.

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