Kinofilm von Ridley Scott Christopher Plummer als Idealbesetzung in „Alles Geld der Welt“

Bonn · Ridley Scott zeigt in „Alles Geld der Welt“ die Entführung von John Paul Getty III. In der Titelrolle ersetzt Christopher Plummer den in Ungnade gefallenen Kevin Spacey - Ein Kommentar zum neu erschienen Film.

Die Geschichte vor der Kamera geizt nicht mit Nervenkitzel, doch das Drama hinter den Kulissen hielt tapfer dagegen. Als Kevin Spacey Ende Oktober sexueller Übergriffe beschuldigt wurde, erschien er Regisseur Ridley Scott als Hauptdarsteller nicht mehr tragbar. So schnitt er ihn kurzerhand aus dem fast fertigen Film und ersetzte ihn durch Christopher Plummer.

Die Notoperation wurde zum Glücksfall, denn der 89-jährige Plummer ist als hartherziger Ölmilliardär Jean Paul Getty eine grimmig-charismatische Idealbesetzung, der Spacey selbst mit üppigstem Make-up kaum das Wasser hätte reichen können. Charles Dickens' Geizhals Scrooge wirkt geradezu barmherzig gegenüber dieser fleischgewordenen Rechenmaschine.

Als am 10. Juli 1973 der blondlockige John Paul Getty III in Rom von Handlangern der 'Ndrangheta entführt und nach Kalabrien verschleppt wird, hofft die Mafia auf leichte Lösegeldbeute. Doch der Großvater denkt nicht daran, 17 Millionen Dollar zu zahlen. „Ich habe 14 Enkel. Wenn ich nur einen Penny zahle, dann habe ich bald 14 entführte Enkel“, kontert er die Erwartungen seiner Familie.

„Alles Geld der Welt“ macht in diesem Doku-Thriller niemanden glücklich. Weder den alten Tycoon, den Verlustängste heimsuchen, noch seinen geschäftsuntüchtigen Sohn oder dessen Frau Gail. Ihr mag nach der Scheidung niemand glauben, dass sie vom Reichtum der Sippe schlicht gar nicht profitiert.

Packend inszeniertes Finale

Dennoch will sie ihren entführten Sohn retten, und Michelle Williams macht diese Kämpferin in ihrem mühsam gezügelten Zorn zum ebenbürtigen Widerpart von Christopher Plummer. Virtuos leitet Altmeister Scott das Drama ein, wenn er Jean Pauls erste Erfolge in Arabien und Gails frühes Eheglück elegant ineinander blendet. Für den „goldenen Hippie“ John Paul Getty III. interessiert sich der Film seltsamerweise am wenigsten. So kommt Charlie Plummer (nicht verwandt mit Christopher) nie über die Rolle des blassen Opfers hinaus.

Auch Mark Wahlberg als ehemaliger CIA-Agent und nun Gettys Mann für heikle Fälle spielt gewissermaßen mit emotionalem Schalldämpfer, während Romain Duris als Gangster namens Cinquanta eine gefährliche Sympathie für den Entführten hegt.

Ridley Scott hält Krimi und moralisches Gleichnis, römische Grandezza und Kalabriens Kargheit souverän in der Balance, ohne sich je für eine markant-radikale Lesart der schillernden Geschichte zu entscheiden. Als die Mafia dem Getty-Enkel ein Ohr abschneidet, um der Familie Druck zu machen, ist die Forderung längst heruntergehandelt. Doch selbst dann zahlt der eiskalte Greis nur nach Modalitäten, die ihm steuerlich nützen.

Das Herschlagfinale folgt zwar nicht unbedingt den historischen Tatsachen, ist aber ebenso packend inszeniert wie die grandiose Höllenfahrt des Jean Paul Getty. Dass dessen Enkel das fünfmonatige Martyrium mit Traumata, Drogensucht, Hirnschlag und frühem Tod bezahlte, zeigt Ridley Scott dann nicht mehr.

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