"Don't Worry, weglaufen geht nicht" Joaquin Phoenix in beeindruckendem Film über einen Karikaturisten

BONN · Gus van Sant ist mit „Don't Worry, weglaufen geht nicht“ eine beeindruckende Studie über den amerikanischen Karikaturisten John Callahan gelungen.

 Trocken im Rollstuhl: Joaquin Phoenix (links) als John und Jonah Hill als Donnie in dem Film „Don't Worry, weglaufen geht nicht“.

Trocken im Rollstuhl: Joaquin Phoenix (links) als John und Jonah Hill als Donnie in dem Film „Don't Worry, weglaufen geht nicht“.

Foto: epd

An dem Tag, an dem ich zum letzen Mal auf meinen eigenen Beinen lief, bin ich ohne Kater aufgewacht“, berichtet John Callahan (Joaquin Phoenix) aus dem Off. Abends zuvor hatte er so viel getrunken, dass am Morgen noch genügend Restalkohol im Blut war. Aber irgendwann setzt das Delirium erbarmungslos ein. Als John endlich einen Schnapsladen gefunden hat, unternimmt er mit der Verkäuferin am Tresen einen kläglichen Small-Talk-Versuch. Wenigstens noch ein bisschen Würde vortäuschen, bevor er einen halben Liter Tequila kauft und das Zeug hinter einen Wagen geduckt hastig in sich hineinschüttet.

Einen Tag später wacht John nach einem Autounfall im Krankenhaus auf und ist querschnittsgelähmt. Mit „Don't Worry, weglaufen geht nicht“ erzählt Gus Van Sant die Lebensgeschichte des amerikanischen Karikaturisten John Callahan, der an den Rollstuhl gefesselt sich seiner Alkoholsucht stellen musste. Andere Filmemacher hätten daraus ein herzzerreißendes Drama geschnitzt. Aber Van Sant sucht und findet einen federnden Erzählmodus, mit dem er in verschlungenen Rückblenden durch die tragische Existenz seines Protagonisten schlendert.

Dabei macht sich der Film die hart erarbeitete Lebenshaltung des Cartoonisten zu eigen, der in seinen Zeichnungen auch die eigene Behinderung immer wieder mitleidlos ins Visier nahm.

Dreh- und Angelpunkt der Erzählung ist ein Gesprächskreis der „Anonymen Alkoholiker“. Die Selbsthilfegruppe wird von Donnie (Jonah Hill) geleitet, der sich aus einem schwerreichen Elternhaus in den Alkohol geflüchtet und auf dem Weg zu ewiger Nüchternheit einiges an gelassener Lebensweisheit angesammelt hat.

Jonah Hill spielt den Sucht-Guru kongenial als ironisierte Jesusfigur und lethargischen Exzentriker. In der illustren Gruppe wird gründlich mit gängigen Therapieklischees aufgeräumt. Als John von seiner Mutter erzählt, die ihn nach der Geburt zur Adoption freigegeben hat, lachen ihn die Anderen einfach aus. Nur zu gut kennen sie all die Ausreden, mit denen sich die Süchtigen für ihr eigenes Verhalten aus der Verantwortung stehlen wollen.

Mit gewohnter Eigenwilligkeit taucht Joaquin Phoenix auch in die Rolle des windigen Alkoholikers ab und zeichnet äußerst glaubwürdig den Weg seiner Figur von der Sucht über das Selbstmitleid zur Selbsterkenntnis. In seinen Karikaturen findet John schließlich ein künstlerisches Ventil für eigenen, klugen Sarkasmus, der ihn in widrigsten Umständen am Leben hält.

Nur punktuell franst Van Sant ins Sentimentale aus, ohne dabei jenes tragikomische Gleichgewicht zu verlieren, das dem Film seine angenehm schräge Leichtigkeit verleiht.

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