Fernsehpreis Hollywood wartet auf die Emmys

Los Angeles · Komplizierte Charaktere, ausgiebiger Spannungsaufbau, tiefgründige Geschichten: US-Fernsehserien sind für viele die wichtigste Kunstform der Stunde. Bei den Emmy Awards in Los Angeles werden die besten von ihnen ausgezeichnet. Wer könnte das Rennen machen?

 Moderator Stephen Colbert ist selbst mehrfacher Emmy-Preisträger.

Moderator Stephen Colbert ist selbst mehrfacher Emmy-Preisträger.

Foto: Paul Buck

Wenn sich am Sonntag im Microsoft Theater in Los Angeles der Vorhang für die 69. Emmy-Verleihung hebt, dann ist das meiste schon passiert.

In 92 kleineren Kategorien ist der wichtigste TV-Preis der Welt schon vergeben worden. In rund zwei Dutzend großen Kategorien steht die Bekanntgabe der Gewinner aber noch aus.

Late-Night-Moderator Stephen Colbert wird durch einen Abend führen, von dem alle erwarten, dass er in Zeiten Donald Trumps politischer wird als frühere Auflagen. Viele glauben, dass der Emmy diesmal so überraschend wie nie werden könnte.

Bei ihren Prognosen in diesem Jahr sind viele Branchenbeobachter etwas vorsichtiger geworden. "In vielen Top-Kategorien ist es, als würde ein Münzwurf alles entscheiden", schreibt das Branchenmagazin "Variety". Seit vergangenem Jahr hat die über 22 000 Menschen große Television Academy zudem ihre Auszählungsregeln verändert. Nun geben die Juroren nicht mehr eine Rangfolge ihrer Lieblingskandidaten ab, stattdessen zählt nur noch, wer die meisten Erststimmen bekommt. Wenige engagierte Fans in den Akademie-Reihen sind also im Zweifel wichtiger als sehr viele einigermaßen Überzeugte.

Viel wichtiger als bei den Oscars mit rund einem Dutzend in Frage kommenden Filmen ist es zudem, dass die Juroren die viel längeren Serien überhaupt schauen - bei über 100 Kategorien und allein 180 eingereichten Dramaserien in diesem Jahr kein einfaches Unterfangen.

Es könnte ein Vorteil für die NBC-Familienserie "This Is Us" und das Netflix-Drama "Stranger Things" sein, am vergangenen Wochenende bereits in einigen Sparten gewonnen zu haben. Das deutet darauf hin, dass die Mitglieder der Akademie diese Serien auch tatsächlich gesehen haben.

Beide Reihen treten auch in der Königskategorie als beste Drama-Serie an. Dabei ist die Spannung besonders groß, denn vom bisherigen Dauersieger "Game of Thrones" gab es in diesem Jahr im Nominierungszeitraum bis 31. Mai keine neue Staffel. Die ebenfalls oft gelobte Kostüm-Serie "Downton Abbey" ist zu Ende gegangen.

Als Topfavoriten gelten das "Handmaid's Tale" beim Streamingdienst Hulu oder eben "This Is Us". Sollte die in Deutschland bei ProSieben laufende NBC-Familienserie gewinnen, wäre es der erste Sieg für einen der großen traditionellen Sender ABC, NBC, CBS und Fox seit 2006 die Fox-Thrillerserie "24" gewann. Neben "Stranger Things", "House of Cards" oder "The Crown" von Netflix runden "Better Call Saul" von AMC und HBOs "Westworld" das Feld ab.

Den Abend werden erneut auch die Deutungen darüber begleiten, wohin sich die Unterhaltungsbranche insgesamt entwickelt: Gewinnen traditionelle Sender oder setzt sich der Siegeszug des Streamings fort? Muss es um düstere Zukunfts- oder Fantasy-Stoffe gehen wie bei "Handmaid's Tale" oder dem rekordnominierten "Westworld" oder siegt das warmherzige Familienformat "This Is Us"? Kann in den Show-Kategorien das in diesem Jahr frisch politisierte "Saturday Night Live" richtig abräumen?

Dank des traditionsreichen Sketchformats und "This Is US" könnten die alteingesessenen Sender in diesem Jahr tatsächlich die größten Schlagzeilen schreiben. Und dennoch: Der Abokanal HBO führt mit 110 Nominierungen wie auch schon in den Vorjahren das Feld an. Netflix folgt mit 91 und NBC kommt nur auf 60. Die beiden erstgenannten Anbieter haben zudem bereits gut vorgelegt: HBO gewann schon 19 Preise in den kleineren Kategorien, Netflix steht bisher bei 16 Auszeichnungen. Die wirklich entscheidenden Preise folgen ab 2 Uhr deutscher Zeit in der Nacht auf Montag, übertragen in Deutschland bei TNT Serie.

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