G20 in Hamburg Global-Citizen-Festival: Emotionaler Pop-Gipfel

Hamburg · Eine Show mit Superstars und starken Statements: Vor dem Start des G20-Treffens versammelten sich Popstars rund um Coldplay, Shakira und Grönemeyer zu Deutschlands erstem Global-Citizen-Festival.

 Ein Duett der Spitzenklasse: Chris Martin (l) und Herbert Grönemeyer.

Ein Duett der Spitzenklasse: Chris Martin (l) und Herbert Grönemeyer.

Foto: Daniel Reinhardt

Protest geht auch friedlich - und mit Pop: Während es am Vorabend des G20-Gipfels in Hamburg zu heftigen Krawallen kommt, verschaffen sich andere zeitgleich bei einer imposanten Show ganz friedlich Gehör.

Internationale und nationale Musikstars zeigen beim Global-Citizen-Festival, dass es auch anders geht. Erstmals trägt die Bewegung Global Citizen (Weltbürger) ihre seit 2012 in New York stattfindende Show in Deutschland aus. Das Ziel: Vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs am Freitag/Samstag in der Hansestadt ein Zeichen zu setzen und Politiker in die Pflicht zu nehmen. Mit ihren Fans - laut Veranstaltern mehr als 11 000 Zuschauer - feiern sie eine große Charityparty.

DIE STARS traten ohne Gage auf und geizten auch sonst nicht. Ob die britische Band Coldplay - deren Frontmann Chris Martin ist Schirmherr des Festivals und trommelte gemeinsam mit Global-Citizen-Gründer Hugh Evans die Prominenz zusammen - oder die Musiker Shakira, Ellie Goulding, Pharrell Williams, Andreas Bourani und nicht zuletzt Herbert Grönemeyer: sie alle nahmen sich Zeit für die Fans und dankten ihnen für deren Engagement. Denn: 80 Prozent der Tickets gab es gratis für Aktivisten. Gewinnen konnten diejenigen, die sich an den diversen Aktionen der Bewegung beteiligten - von Aufrufen via Twitter an Politiker bis hin zu Anruf-Aktionen in Botschaften.

Nicht nur Künstler machten mit. Den ersten "Popstar" des Abends stellte die Politik: Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau kam gleich zu Beginn mit Ehefrau Sophie Grégoire auf die Bühne, tauchte später wieder auf und begeisterte die Massen. Mit weniger Applaus musste sich die weitere Politprominenz wie Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) begnügen. Der hatte immerhin noch schnell an seinem Outfit gefeilt, weil er sonst sein erstes Pop-Konzert mit Krawatte erlebt hätte, und fand die Show "schon 'ne geile Nummer". Andere schickten Videobotschaften, darunter SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Weltbank-Präsident Jim Yong Kim begrüßte das Publikum im hohen Norden mit "Moin".

DIE SHOW startete mit einem umjubelten Auftritt von Coldplay. Die Halle tobte, als Chris Martin bestens gelaunt, im Konfettiregen tanzend und bald ordentlich schwitzend Hits wie "Paradise", "Viva La Vida" und "Fix You" lieferte. Nach dem fröhlich-bunten Spektakel wurde es ausgerechnet dann ruhiger, als Wirbelwind Shakira die Bühne betrat und im gefühlvollen Duett mit Martin Coldplays "Yellow" anstimmte. Grinsend forderte die kolumbianische Sängerin den Briten, an dessen Hüfte inzwischen eine Deutschlandflagge baumelte, auf Spanisch heraus - zumindest für ein Lied. Ein Traumpaar, das viel Spaß gemeinsam hatte und bot, blieben die beiden noch für einige weitere Titel.

Entertainerin Barbara Schöneberger führte durch das im ARD-Programm One, im Radio und Internet live übertragene Konzert und hatte als Co-Moderatoren mal die Schauspieler Elyas M'Barek und Florian David Fitz, mal "Tagesschau"-Sprecherin Linda Zervakis an der Seite. Die Musik kam nicht zu kurz - und ihre Stars lieferten, worauf die Fans warteten: Andreas Bourani brachte mit "Auf uns" die Halle zum Toben, Ellie Goulding ließ sich für Lieder wie "Love Me Like You Do" feiern. Auch der Klassik-Part mit der georgischen Pianistin Khatia Buniatishvili erntete Jubel. Pharrell Williams und die Zuschauer tanzten zu "Happy", ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut forderte zum Mitsingen auf. Der letzte Teil war für Grönemeyer reserviert, der sich mal Bourani und mal Martin als Duettpartner holte.

DIE STATEMENTS kamen aus Politik und Pop. Als eine soziale Aktionsplattform für eine globale Generation an jungen Menschen, die die drängendsten Herausforderungen der Welt bewältigen wollen, sieht sich Global Citizen. Eingeteilt war die Show in Themenblöcke wie "Gesundheit" und "Wasser und Hygiene", in denen Vertreter verschiedener Organisationen in kurzen Ansprachen, Filmen und Interviews Informationen lieferten. Es wurden gewichtige Spenden angekündigt und verpflichtende Zusagen gemacht. Kanadas Präsidentenehepaar Trudeau setzte sich für die Stärkung von Mädchen und Frauen ein. Der Kampf für Gleichheit beginne, wenn diese mehr Verantwortung und Selbstbestimmung erhielten, sagte das Paar. "Gleiche Chancen für Frauen und Mädchen können die Welt verändern."

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verlangte mehr Solidarität in der Welt. "Wir werden es nicht schaffen, wenn wir es nicht gemeinsam tun", appellierte er an die versammelten "Weltbürger". Bundesaußenminister Gabriel mahnte die internationale Gemeinschaft, das Thema Abrüstung wieder auf die Agenda zu setzen. "Wir brauchen jeden im Saal dafür", sagte er. Er sei in großer Sorge, "dass wir in eine Zeit mit einer gigantischen Aufrüstungsspirale hineinwachsen". Der Minister verwies in diesem Zusammenhang auf Länder wie Nordkorea, China und Russland, aber auch auf Europa. "Die Menschen in Russland und Europa haben die Nase voll von Konfrontation und Kaltem Krieg."

Popsängerin und Unicef-Botschafterin Shakira, die in ihrer Heimat Kolumbien schon mehrere Schulen gegründet hat, lag die Bildung am Herzen. "Lasst es uns ihnen sagen, lasst uns allen Staatschefs der G20 sagen, dass wir wollen, dass jedes Kind in der Schule eine gute Ausbildung bekommt, die sie darauf vorbereitet, die nächsten Global Citizen zu sein", sagte sie. "Wir müssen mehr in Bildung investieren, weil es der Schlüssel dazu ist, den Kreislauf der Armut zu beenden, in dem Millionen gefangen sind."

Diesmal gehe es nicht nur um die Stars, sondern darum, dass die Probleme angesprochen würden, lobte die 18-jährige Besucherin Esra Tsa aus Hamburg. "Es ist so, dass man zu Prominenten hinaufschaut, deswegen ist es wichtig, dass sie klar machen, was die Probleme sind, dass man nicht wegschaut." Nour Saadouni (17) freute sich über den Coldplay-Auftritt: "Sie haben es mit Liebe gemacht, es war ehrlich und offen, sie haben Freude verbreitet."

Mit einem starken Statement setzte Grönemeyer den Schlusspunkt der viereinhalbstündigen Show, als er auf die "furchtbare Hungersnot" im Südsudan, in Somalia, Nigeria und Jemen verwies: "Frau Merkel, Sie als Gastgeberin, schicken Sie keinen nach Hause, bevor der Topf gefüllt ist. Es fehlen 3,5 Milliarden." Ein für die Veranstalter erfreuliches Ergebnis verkündete Global-Citizen-Gründer Evans: 638 Millionen Euro seien durch die aktuelle Kampagne zugesagt worden. Evans: "Together is powerful. Together we make our planet great again." ("Gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam machen wir unseren Planeten wieder stark.")

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