Kleidung Englische Kaufhauskette John Lewis hebt Geschlechtertrennung auf

London · Rosa Kleidchen und pinke Prinzessinnen-Strampler in einer Ecke, blaue Latzhosen und mit Autos bedruckte T-Shirts in der anderen - Klischees bestimmen seit jeher die Aufteilung in Läden und Modeabteilungen mit Kinderbekleidung.

Doch damit ist bei Großbritanniens beliebter Kaufhauskette John Lewis nun Schluss. Das vor allem bei der Mittelklasse als Institution geltende Unternehmen schafft die Kategorien "Boys" und "Girls" ab. "Wir wollen nicht länger Geschlechterstereotype befeuern", sagte die Leiterin der Abteilung Kinderbekleidung, Caroline Bettis. Denn warum sollen Mädchen keine Superhelden auf ihrem Pulli tragen wollen und Jungen nicht die Farbe Lila bevorzugen?

Kinder und Eltern, so die Botschaft, sollen selbst wählen können, was sie am liebsten tragen beziehungsweise ihrem Nachwuchs anziehen. Auf dem Etikett prangt "Boys & Girls" oder "Girls & Boys" und schließt so beide Geschlechter ein. John Lewis ist der erste Händler, der die geschlechterspezifischen Labels von Kinderbekleidung entfernt, ausgenommen werden vorerst noch Schuluniformen. Dabei hat sich am Stil kaum etwas verändert. Noch immer hängen beispielsweise Blumenröcke auf dem Kleiderbügel.

Unisex-Kollektion

Was John Lewis aber sagen will: Diese können eben auch von Jungs getragen werden. Zudem gibt es jetzt eine Unisex-Kollektion: Gelbe Pyjamas oder mit farbenfrohen Dinosauriern bedruckte Shirts sollen jeden ansprechen. Unisex-Mode hat in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen. Luxusmarken ebneten den Weg, indem sie etwa weibliche Models in Männerklamotten auf den Laufsteg schickten oder vice versa, wie etwa beim Designer JW Anderson. Auch das internationale Unternehmen H&M hat dieses Jahr mit "Denim United" eine Unisex-Jeans-Kollektion auf den Markt gebracht.

Viele Eltern und Aktivisten lobten den "zukunftsweisenden" Schritt von John Lewis. "Das ist eine so wichtige Maßnahme und ich hoffe, andere Händler werden folgen. Willkommen im 21. Jahrhundert", schrieb eine Kundin auf Facebook. "Endlich, endlich, endlich!", zeigte sich eine Mutter erleichtert. "Warum sollten Mädchen keine Autos und Jungs keine Einhörner mögen? Macht weiter so!" Die Neuerung beim Kaufhausgiganten folgt auf einen Skandal, der kürzlich die Briten umtrieb: Die gemeinnützige Organisation National Trust verkaufte in ihren Geschenkeläden pinke Hüte für Mädchen mit der Aufschrift: "Zukünftige Fußballer-Ehefrau". Auch andere Unternehmen wie etwa Gap wurden in der Vergangenheit für ihre als sexistisch gebrandmarkten Klamotten gescholten.

Zustimmung und Entrüstung

Die Entscheidung von John Lewis sorgte jedoch nicht nur für Zustimmung, sondern löste in den sozialen Medien auch einen Sturm der Entrüstung aus. John Lewis solle sich schämen, sich der "politischen Korrektheit zu beugen bezüglich des Geschlechts eines Kindes", schrieb eine aufgebrachte Twitter-Nutzerin und bekam Unterstützung von einem konservativen Abgeordneten, für den Jungen- oder Mädchen-Etiketten "informativ" seien. Der umstrittene Fernsehmoderator Piers Morgan befand: "Großbritannien ist nun offiziell übergeschnappt."

Er dürfte Zuspruch von jenem britischen Paar erhalten, das gerade mit Verweis auf den christlichen Glauben die Grundschule des Nachwuchses verklagt. Weil die Einrichtung einem sechsjährigen Mitschüler erlaubt hat, im Kleid zum Unterricht zu kommen, sei der ebenfalls sechs Jahre alte Sohn "verwirrt" nach Hause gekommen mit der Frage, warum ein Junge nun ein Mädchen sei, beschwerten sich die Eltern. Die Elterninitiative "Let Clothes Be Clothes" dagegen merkte an: "Ein T-Shirt sollte einfach nur ein T-Shirt sein." Dasselbe gilt für das rosa Kleidchen und die blaue Latzhose.

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