Königliche Lustpartie auf der Themse Als vor 300 Jahren Händels "Wassermusik" uraufgeführt wurde

Whitehall · Siebzehn-sieben-siebzehn-siebzehn: Es ist ein besonderes Datum, als vor 300 Jahren das damals neueste Werk Georg Friedrich Händels bei Whitehall uraufgeführt wird. Es ist ein ganz besonderes Werk: die „Wassermusik“.

 Georg Friedrich Händel (hier das Denkmal in seiner Geburtsstadt Halle): Mit seiner Musik verbesserte er in London das Image seines Dienstherrn Kurfürst Georg von Hannover, der ab 1714 auch König von Großbritannien und Irland war.

Georg Friedrich Händel (hier das Denkmal in seiner Geburtsstadt Halle): Mit seiner Musik verbesserte er in London das Image seines Dienstherrn Kurfürst Georg von Hannover, der ab 1714 auch König von Großbritannien und Irland war.

Foto: picture alliance / Jan Woitas/dp

Der 17. Juli 1717 war ein warmer, schöner Sommertag, als Georg I., der neue König von Großbritannien, in Whitehall eine Schiffsfahrt die Themse aufwärts begann – eine, die in die Geschichte einging. Denn bei dieser Gelegenheit wurde ein Werk aufgeführt, das bis auf den heutigen Tag von ungebrochener Popularität ist: Man gab dieser aus drei Suiten bestehenden Komposition den Namen „Wassermusik“, aus dem einfachen Grund, weil sie auf dem Wasser uraufgeführt wurde. Der Preuße Friedrich Bonet war Zeuge dieser königlichen Lustpartie und schickte seinem König Friedrich Wilhelm I., dem „Soldatenkönig“, folgenden Bericht:

Gegen acht Uhr abends begab sich der König in eine Barke. Neben des Königs Barke fuhr die der Musiker, etwa 50 insgesamt, die auf allen Arten von In-strumenten spielten, auf Trompeten, Hörnern, Oboen, Fagotten, Querflöten, Blockflöten, Violinen und Bässen, jedoch ohne Sänger. Die Musik war ausdrücklich für diesen Anlass von dem berühmten Händel komponiert worden, einem gebürtigen Hallenser und Erstem Hofkomponisten Seiner Majestät. Seine Majestät fand die Musik so großartig, dass Sie befahl, sie insgesamt dreimal zu wiederholen, obwohl jede Aufführung eine Stunde dauerte – nämlich zweimal vor und einmal nach dem Souper.

In Chelsea hatte Lady Catherine Jones für die königliche Gesellschaft ein köstliches Dinner vorbereitet – ob die Musiker daran teilnehmen durften, ist nicht überliefert, aber höchst unwahrscheinlich. Auf der Themse wimmelte es von kleinen Booten und größeren, prunkvoll ausgestatteten Schiffen, denn alles, was in London Rang und Namen hatte, wollte natürlich dabei sein. Genau das aber war von dem unbeliebten Georg, der erst drei Jahre zuvor aus Hannover nach England gekommen war, beabsichtigt worden. Er sprach praktisch kein Englisch, sondern benutzte das Französische, um sich verständlich zu machen.

Eine Darbietung zur Imageverbesserung

Für die selbstbewussten Engländer war das natürlich ein Affront. Auch wusste ganz London, dass sich Georg I. mit seinem Sohn Georg August, dem Prince of Wales, nicht verstand. Dieser unternahm alles in seiner Macht stehende, um die Opposition zu seinem Vater zu unterstützen. Der erste Hannoveraner auf dem englischen Thron brauchte also unbedingt eine Imageverbesserung! Sicherlich ein gewichtiger Grund dafür, eine derart opulente Darbietung mitten in London stattfinden zu lassen. Dem bei diesem Event nicht anwesenden, aufmüpfigen Sohn konnte er so auch nachdrücklich demonstrieren, wer von ihnen die Krone besaß.

Oft ist behauptet worden, dass sich der Monarch bei dieser Gelegenheit mit Händel versöhnt habe. Angeblich habe Georg es ihm übel genommen, dass er den hannoverschen Hof ohne Erlaubnis vor Beendigung seines Vertrages verlassen habe, um endgültig nach London zu gehen. Wir wissen aber längst, dass Händel das großzügige Salär bekam, um in London „gut Wetter“ für den in England unbeliebten Georg zu machen. Er sollte dem Namen des zukünftigen Königs jenseits des Kanals einen positiven Klang verleihen, sollte Verbindung aufnehmen mit wichtigen Persönlichkeiten – inklusive Queen Anne –, damit er in Hannover berichten konnte, was der Kurfürst zu erwarten hatte, wenn er erst einmal König in London war.

Deswegen hat Händel immer wieder darauf hingewiesen, dass er aus Hannover war. Auch die Tatsache, dass er, kaum dass Georg zum König gekrönt war, das noch ausstehende Gehalt ausbezahlt bekam und seine Oper „Rinaldo“ sogleich im King's Theatre aufgeführt wurde, verdeutlicht, dass es zwischen den beiden nie ein Zerwürfnis gegeben hat.

Wie stark sich Georg Friedrich Händel dem hannoverschen Königshaus verbunden gefühlt hat, ist auch in den folgenden Jahren offensichtlich, denn seine Musik erklang, wann immer die königliche Familie ihn darum bat – sogar mit Georg II. ist er trotz mancherlei Schwierigkeiten klar gekommen. Zu dessen Krönung komponierte er vier „Coronation Anthems“, darunter „Zadok the Priest“ (seither bei jeder Krönung eines britischen Monarchen aufgeführt, zuletzt 1953 für Königin Elizabeth II.).

Soundtrack zu bedeutenden Schlachten

Als der Prince of Wales Frederick die Prinzessin Augusta von Sachsen-Gotha heiratete, krönte Händel die Festlichkeiten mit der Oper „Atalanta“, und als die ihm in Freundschaft verbundene Königin Caroline 1737 starb, schrieb er die Trauermusik „The Ways of Zion do Mourn“.

Auch die großen politischen Ereignisse sind ohne Händels Musik nicht denkbar: Der Tapferkeit von Georg II. bei der Schlacht von Dettingen – auf seinem Pferd hatte er sich ins Schlachtengetümmel gestürzt – setzte er ein musikalisches Denkmal mit dem gewaltigen „Dettinger Tedeum“ (1743), und den endgültigen Sieg über die Stuarts bei Culloden 1746 feierte er mit dem imposanten Oratorium „Judas Maccabaeus“, denn erst mit diesem Sieg saß das Königshaus Hannover, das sich von Anfang an durch die „Jacobite Risings“ bedroht sah, fest im Sattel.

Die Könige aus Hannover konnten zufrieden sein mit dem, was der „churfürstlich hannoversche Hoff-Capell Meister“, den sie im November 1710 zum ersten Mal nach London schickten, für sie erreicht hat: Ohne ihn und seine die Menschen begeisternde Musik wäre der Weg zum Thron viel schwieriger und steiniger gewesen. Und wie begeistert die Londoner von Händels „Wassermusik“ waren – das kann man am besten daran erkennen, dass viele Stücke daraus schnell ihren Weg in die Konzertsäle und Theater fanden.

Man unterlegte einigen von ihnen sogar Texte, und manche Tanzmelodien wurden aufgenommen in den seinerzeit beliebten „The English Dancing Master“, eine Anthologie beliebter Tänze. Man hat Händel wegen seines enormen Erfolges den „Andrew Lloyd Webber des 18. Jahrhunderts“ genannt. So ganz falsch ist das nicht.

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