Helge Schneider in Köln Sinn für den Sinn im Unsinn

Köln · Alle Jahre wieder: Helge Schneider füllt die Kölner Philharmonie zwei Abende lang mit seinem Programm „Radio Pollepopp“

 Entertainer am Flügel: Helge Schneider zieht in Köln alle Register.

Entertainer am Flügel: Helge Schneider zieht in Köln alle Register.

Foto: Vielz

Der Bischof, der Kapitän und der Indianer, die Zirkusdirektorin, die Chinesin und die Fliegenpilzfrau, die Mäuse, die Gartenzwerge und die Römer – sie alle amüsieren sich prächtig. Schließlich ist Karnevalsfreitag und Helge Schneider (61) tritt in der Kölner Philharmonie auf. Das tut er schon seit Jahren. Immer drei Abende (der gestrige fiel wegen Schneiders Erkrankung aus) hintereinander. Die, mit eben solcher Regelmäßigkeit, immer ausverkauft sind.

Viele im größtenteils kostümierten Publikum sind nicht zum ersten Mal da. Schneider gehört für sie zu Fastelovend wie der Zoch am Rosenmontag, die Nubbelverbrennung am Dienstag und, hinterher, das Fischessen am Mittwoch.

Wer da ist, hat Sinn für den Sinn im Unsinn. Für kindliche Späße, krude Kalauer und abstruse Logik, scheinbar Banales, lustvollen Klamauk und Lieder, in denen es um supersexy Käsebrot geht, einen männlichen Singvogel auf Brautschau oder um ein froh machendes Behältnis, in dem Mieze ihr Geschäft verrichtet. Helge-Fans besitzen aber auch einen Sensus für Gedankengänge mit Falltüren, für unbequeme Wahrheiten und richtig gute Musik. Plus einer Prise Derbheit (den Oben-ohne-Flügel mit dem Unterleib traktierend) und ein paar wohl dosierten Seitenhieben in Richtung zahlende Gäste („Morgen hab' ich gar keinen Bock mehr – das Samstagspublikum ist das Letzte!“) geht Schneiders „Radio Pollepopp“ gut 120 Minuten auf Sendung.

Mit Karneval hat das am Anfang – von den johlenden Mäusen, den begeistert applaudierenden Gartenzwergen und den schrill pfeifenden Römern abgesehen – so gar nichts zu tun. „Radio Pollepopp“ könnte auch Silvester laufen. Oder Ostern. Oder irgendwann. Helge Schneider schüttelt am später geschändeten Flügel („Ein tolles Instrument – und größer als eine Gitarre!“) sein Haar für uns, bekennt leichthin „Ich wär' ein großer Sänger geworden, wenn ich nicht so klein wär'“ und lässt sich beim „Meisenmann“ von Sergeij Gleithmann tänzerisch umflattern.

Zum Nonsens-Blues („I wake up in the morning to wake up“) greift Schneider zur Gitarre, mit dem legendären Pete York liefert er sich eine jazzige Drum-Battle an zwei Schlagwerken. Teekoch Bodo (Oesterling) räumt hinterher die Trommeln, Hi Hats und Becken ab. Kein Tee. Aber trotzdem Riesenjubel. Ab und zu rauscht eins der beiden Radios auf der Bühne. Erst beim Cello („Ein trauriges Lied auf einem traurigen Instrument für ein trauriges Publikum in einer lustigen Zeit“) bahnt sich der närrische Brückenschlag an. Vorm chinesischen Schlaflied darf ein „Kölle Alaaf“ nicht fehlen, auch im fremden Dialekt versucht sich der Radiomacher aus dem Revier: „China ist riesengroß und gelb. Oder wie der Kölner sagt: Jelleb.“

Dass es eigentlich „jääl“ heißen müsste, verzeiht man. Spätestens dann, wenn Schneider zur Zugabe die große Philharmonie-Orgel vom Bonner Johannes Klais erklingen lässt. „Mer losse d'r Dom in Kölle“ singen Mäuse, Gartenzwerge und Römer aus voller Kehle. Aber kann es sein, dass der Mann aus Mülheim an der Ruhr die olle Kathedrale gar nicht haben will?

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