Chilly Gonzales in der Kölner Philharmonie Selbstironie am Steinway

Köln · Er ist ein schräger Typ. In Bademantel und Pantoffeln kommt der Piano-Entertainer Chilly Gonzales (43) auf die Bühne der Philharmonie. Es mache ihm "so much Freude", am Ende seiner Europa-Tour an zwei Abenden in seiner Wahlheimat Köln zu gastieren, erklärt der Kanadier mit dem bürgerlichen Namen Jason Charles Beck.

 "Musical Genius": Chilly Gonzales in der Philharmonie Köln.

"Musical Genius": Chilly Gonzales in der Philharmonie Köln.

Foto: Thomas Brill

Aus dem Saal johlt und pfeift es, jeder Platz ist ausgebucht. Sein neues Projekt machte Gonzales mit dem Hamburger Kaiser Quartett, einem klassischen Streichquartett, das aber keine Klassik spielt. "A string quartet can be like a rock band", meint er. Aber auch elektronische Techno-Beats lassen sich auf Streichern imitieren. Eine verdrehte Welt.

Die erschafft sich der Pianist in Union mit den Streichern oder allein am Piano stets neu. Mal sind die Stücke kürzer, mal länger. Amerikanische Minimal Music, etwas Jazz, Salonmusik der Romantik und eine Prise Impressionismus werden frech "geshaked". Rhythmus-Pattern geben den Ton an. Mal gibt Gonzales den filigranen Poetiker, dann traktiert er den dröhnenden Bassbereich des Steinways mit wilden Tremoli.

Besonders schön sein schrullig-dadaistischer Gesang, den er über die Musik legt. Das klingt, als würde Tom Waits zu rappen beginnen. Gonzales unterhält sein Publikum gut. Merkwürdige Storys erzählt er und analysiert Welthits wie Glenn Millers "Chattanooga Choo Choo", den er auf sein Akkordgerüst reduziert und damit beweist: Ohne Arpeggios ist er sinnlos. Eine orgiastische Studie auf solche zerlegte Dreiklänge liefert er daher im Anschluss. Seinen "größten Traum, ein Komponist zu sein", verwirklichte er, als er der russischen Pianistin Olga Scheps ein Stück "ohne Titel" schrieb. Die Wahlkölnerin kam ein paar Minuten auf die Bühne und interpretierte das Werk. Mit einem zusätzlichen Schlagzeuger nahm das Programm später Fahrt auf. Am Ende präsentiert Gonzales scheinheilig eine weibliche Doppelgängerin, die ihm nicht ähnlich sieht, und fragt: "Muss ich immer Chilly Gonzales sein?"

Dann steigt er auf den Klavierschemel und besingt sich als "Musical Genius", mit dem Fuß einmal die Klaviertasten tretend. Mehr Selbstironie geht nicht.

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