Sido im Kölner Konzert Nie mehr arm sein

Rapper Sido präsentiert sich in der Kölner Live Music Hall - mit einem einen mit reichlich Nostalgie versetzten Mix aus Liedern seines siebten Studioalbums „Das Goldene Album“ sowie Klassikern der Anfangszeit.

 Rückkehr zu den Wurzeln: Sido in der Live Music Hall.

Rückkehr zu den Wurzeln: Sido in der Live Music Hall.

Foto: Thomas Brill

Nicht erst seit seiner „Astronaut“-Kollaboration mit Andreas Bourani weiß Rapper Sido, dass er längst zum Popstar für die Massen avanciert ist. Wer 2015 die Lanxess-Arena bespielt hat, gehört zur ersten Liga und hat den Rap-Untergrund definitiv weit hinter sich gelassen.

Doch genau da scheint Paul Hartmut Würdig, so sein bürgerlicher Name, in einer Art Midlife-Crisis offenbar wieder hin zu wollen. Im Rahmen seiner „Liebhaber“-Tour, für die er bewusst Clubs ausgesucht hat, präsentiert er seinen rund 1200 Fans in der ausverkauften Live Music Hall einen mit reichlich Nostalgie versetzten Mix aus Liedern seines siebten Studioalbums „Das Goldene Album“, das allerdings noch nicht vergoldet wurde, sowie Klassikern der Anfangszeit.

Die Atmosphäre in der Halle ist extrem stickig, trotz Verbots schwer rauchgeschwängert. Begeisterter Jubel empfängt den 36-jährigen Senior der deutschen Rap-Szene, der zur Präsentation des goldenen Albums nicht nur seine Totenkopfmaske poliert hat, sondern auch noch extra vergolden ließ.

„Hamdullah“ zum Auftakt ist eine vor Nostalgie triefende Reminiszenz an Zeiten, in denen Sido noch mit seinen Homies am Autoscooter abhing. Doch der Maskierte liebt das Spiel mit wechselnden Egos, denn bereits bei „Ja man“ singt er offen, jetzt ohne Maske und stattdessen mit cooler Sonnenbrille von der Bequemlichkeit seines Lebens, in dem er finanziell mehr als ausgesorgt hat. „Nie mehr sparen, nie mehr arm sein“, singen die Fans inbrünstig mit, wobei zur Bekräftigung des kollektiven Lebensziels alle Arme nach oben gehen.

Was Sido unter Umständen satirisch meint, wird von den Fans durchaus ernst genommen. Dieses Ziel hat Sido maßgeblich durch den Rückhalt seiner Mutter, wie er in dem Klassiker „Mama ist stolz“ bekundet, erreicht. „Ich bin all das, wovor dich deine Eltern immer gewarnt haben“, singt er dann und verkennt dabei für einen Augenblick, dass er selbst Familienvater ist. Und sogar ein guter, sofern man das Lied „Papa ist da“, in dem er versucht, seinen Kindern etwas Orientierung im Achterbahn-Leben zu vermitteln, als Maßstab nimmt. Dies ist in der Tat einer der wenigen Momente, in denen Sido authentisch in der Jetztzeit erscheint.

Die Beats liefert sein eingespieltes Duo mit DJ Word und DJ Desue, was den Flow der Reime angeht, kann Sido auf das junge Talent Estikay vertrauen. Als besondere Gäste dürfen „B-Tight“ mit „Wer hat das Gras weggeraucht?“, eher etwas für den Hip-Hop-Karneval, für ihr gleichnamiges neues Album werben. Unter dem Strich zeigt das Konzert allzu deutlich, dass Sidos Versuch der Rückkehr zu den Wurzeln scheitert, musikalisch tritt er auf der Stelle, und inhaltlich hat er, wenn er ehrlich ist, einfach keinen Draht mehr zum Rap-Untergrund. „Mein Block“ bleibt dennoch eine brillante musikalische Sozialstudie, die zeitlos begeistert.

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