Jetzt wird's politisch Museum Ludwig präsentiert Gegenwartskunst neu

Köln · Westernkulisse, trostloser Spielplatz oder Schrotthalde anmutende Installation - über die Installation "Building a Nation" kann man Vieles sagen. Das Museum Ludwig stellt sie nun ins Zentrum der Abteilung Gegenwartskunst.

 Wieder zu sehen: Yan Pei-Mings „Mao“ (1991), eine Leihgabe der Ludwig-Stiftung.

Wieder zu sehen: Yan Pei-Mings „Mao“ (1991), eine Leihgabe der Ludwig-Stiftung.

Foto: Thomas Brill

Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Man kann diesen perfiden Spruch wieder und wieder lesen und sich stets aufs Neue aufregen, gerade auch, weil diese rassistische, menschenverachtende Einstellung überall in Jimmie Durhams raumfüllender Installation auftaucht: mal verklausuliert, mal zynisch gebrochen, aber immer ziemlich deutlich und aus dem Mund etlicher politischer Repräsentanten, insbesondere US-Präsidenten. „Building a Nation“ heißt Durhams, mit ihren Fundstücken gleichermaßen als Westernkulisse, trostloser Spielplatz und Schrotthalde anmutende Installation. Durham, Abkömmling von Cherokee-Indianern, definiert den Gründungsmythos der USA als Massaker an der indigenen Bevölkerung und bis in unsere Zeit reichende Erniedrigung und Missachtung.

Yilmaz Dziewior, Direktor am Museum Ludwig, und Barbara Engelbach, Kuratorin der Sammlung zeitgenössische Kunst, stellen „Building a Nation“ als Dreh- und Angelpunkt ins Zentrum der Neupräsentation der Abteilung Gegenwartskunst im Ludwig und legen damit einen eminent politischen Tenor der Schau fest. Vom Elend der Indianer führt ein direkter Weg zur Hinterfragung des Cowboy-Mythos durch Cady Noland oder zu Kerry James Marshalls ironischer Afrika-Idylle, „Vignette #15“.

Etliche Neuerwerbungen

Mehr als 51 Arbeiten sind zu sehen, darunter länger nicht gezeigte Werke wie der „Mao“ von Yan Pei-Ming oder „Wasser ohne Klang“ von Katsura Funakoshi. Aber auch etliche Neuerwerbungen gibt es zu bewundern. So kamen 2017 zwei Objekte von Alexandra Bircken durch Ankauf ins Ludwig, ferner zwei Arbeiten von Ayse Erkmen. Eine davon, bestehend aus sechs Monitoren, auf denen sich lustige, grüne Figuren dem Betrachter nähern, die sich als Landminen entpuppen, setzt den durch Durham in die Schau gebrachten politischen Grundton fort. Die andere korrespondiert in einem kleinen Raum aufs Feinste mit einer Arbeit von Marcel Broodthaers.

Als kleine Sensation ist eine weitere Neuerwerbung einzustufen. Noch bevor die aus Sansibar stammende britische Künstlerin Lubaina Himid mit dem renommierten Turnerpreis ausgezeichnet wurde, was in der Regel die Kunstpreise explodieren lässt, hatte sich das Ludwig vier exzellente Werke der kritischen Malerin gesichert. Sie bilden einen hochinteressanten Block der mit ostafrikanischer Ornamentik und einer prägnanten, plakativen Malerei historischen und Alltagsrassismus thematisiert.

Die mangelnde Wertschätzung der afrikanische Frau in der Kunstwelt thematisiert Carrie Mae Weems in ihrer sehr schönen, mit bitterer Ironie und unmissverständlicher Anklage unterlegten Fotosequenz „Not Manet's Type“, die auch zu den Neuankäufen 2017 zählt. 2016 erwarb das Ludwig zwei neuere Fotoarbeiten von Jeff Wall, die den Bestand – ein fantastisches Leuchtkastenbild von 1980-81 („Frau und ihr Arzt“) – um eine ganz andere Facette erweitern. Durch die Peter und Irene Ludwig Stiftung wurde die Erwerbung möglich.

Frage nach der Rolle des Künstlers

Die Neupräsentation der Gegenwartskunst ist überhaupt auch eine Verbeugung vor Leihgebern, Stiftern und Sponsoren, insbesondere vor der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig, die nicht nur die Präsentation finanziert hat, sondern durch die Auslobung des Wolfgang-Hahn-Preises immer wieder neue Akzente setzt. Die Hahn-Preisträger John Miller, der zwei Litfasssäulen in der Schau zeigt, Kerry James Marshall und Rosemarie Trockel, die mit zwei Arbeiten dabei ist, sind in der Präsentation vertreten.

Trockel wirft, wie übrigens auch Durham, die Frage nach der Rolle und Definition des Künstlers sowie nach der Bedeutung der Autorenschaft auf. Hier öffnet sich ein Strang in der Schau, der über Martin Kippenberger, Susanne Paesler und Albert Oehlen bis zu Georg Herold führt.

Der Kunstparcours im Ludwig, der unterm Dach mit der Klassischen Moderne startet, in der ersten Etage mit Kunst von 1945 bis 1970 erste kritische Fragen stellt, findet nun mit der neu sortierten Gegenwartskunst im Keller ein spannendes, kontroverses Finale. Zwei Jahre lang. Dann wird wieder neu sortiert und bewertet.

Museum Ludwig, Di-So, 10–18 Uhr. Erster Do im Monat: 10-22 Uhr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort