Köln Museum Ludwig glänzt mit einer überarbeiteten Dauerpräsentation

KÖLN · Philipp Kaiser hat den schönen Begriff der "permanenten Vorläufigkeit" geprägt. Was damit gemeint ist: Der Direktor des Museums Ludwig präsentiert, was in seinen Augen und im großen Kontext wichtig ist, denkt dabei gerne quer, experimentiert und akzeptiert, dass sein System "nicht in Stein gemeißelt ist".

 Künstlerische Gehirnwäsche: Barbara Krugers Installation ist ein Höhepunkt der Schau.

Künstlerische Gehirnwäsche: Barbara Krugers Installation ist ein Höhepunkt der Schau.

Foto: Gauger

Kaiser, seit bald einem Jahr in Köln, hat das getan, was neue Museumschefs zu tun pflegen, und sich in der Sammlung des Hauses umgeschaut. Er habe dabei Überraschungen erlebt, gesteht er, nicht nur gute, hat Dinge entdeckt, die zu Unrecht im Depot schlummerten, und einiges, das zu Recht im Fundus brummt.

Was er jetzt nach seiner beachtlichen Kölnpremiere im Mai als Kurator der Ausstellung von Kathryn Andrews vorlegt, zeigt, wie gut sortiert die Sammlung des Hauses letztlich ist. Mit "Not yet titled", einer intelligent und mit viel Gefühl völlig veränderten Dauerausstellung über drei Geschosse, die klug Ikonen des Hauses mit Neuerwerbungen verknüpft und viele alte Bekannte im gewandelten Kontext ganz neu erlebbar macht, ist Kaiser ein großer Wurf gelungen.

Kaiser bietet eine Inszenierung, die mit ganz starken installativen Schwerpunkten arbeitet, daneben in drei Strängen die Kunst eines halben Jahrhunderts befragt. Im Untergeschoss des Museums Ludwig sind die seit den 1960er Jahren virulente Konzeptkunst, die Ansätze des Dokumentarischen und der Materialausdeutung zu sehen.

Es geht um Prozesse und die Vermessung einer Kunstwelt, die zum klassischen Bild, zu Malerei und Skulptur auf Distanz geht. Richard Serra und Gordon Matta-Clark, Dan Graham und Walter de Maria sind hier vertreten. Mark Boulos' politische Videoinstallation, Alan Sekulas Arbeiter-Fotos und Hans Haackes "Condensation Wall" leiten über zum Höhepunkt im Untergeschoss.

Der deutet sich mit leichtem Brummen an: Es ist der alte Projektor, der Michael Heizers elf Meter breites, riesiges Felsenbild, buchstäblich ein Meilenstein der Land-Art, an die Wand wirft. 1971 war das Werk zuletzt zu sehen - im New Yorker Guggenheim. Die Peter und Irene Ludwig Stiftung erwarb das Werk nun für Köln.

Auf die eher nüchterne Bestandsaufnahme der Realität im Untergeschoss folgt im zweiten Stock ein ebenfalls in den 1960ern beginnender Strang der Kunst, der auf das Bild setzt, auf das durch Massenmedien verbreitete und von Pop Art & Co. adaptierte. Roy Liechtenstein und Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Diana Thater haben hier ihren Auftritt.

Edward Kienholz' sperriges Kriegsmonument erscheint in ganz neuem Licht. Aber Warhol ist der King. Unweit seiner berühmten Kuhtapete steht sein doppelter Elvis, der in einer Duellsituation gerade den Colt zieht. Ihm gegenüber - in einer Flucht mehrere Räume weiter - sieht man das satte Schwarz von Wade Guytons Druckerpatronen-Arbeit.

Achsen wie diese machen Kaisers neue Schau spannend. Seine Entdeckungen auch: Barbara Krugers raumgreifende aggressive, laute, brutale Schrift-Bild-Installation, die an die Gehirnwäsche obskurer Sekten erinnert, war seit dem Ankauf 1995 nicht mehr zu sehen. Jetzt verstört sie das Publikum in dem grandiosen "Heldensaal".

Zwischen beiden Ebenen und Strängen vermitteln zwei Instanzen. Die eine ist die Fotokünstlerin Louise Lawler, deren Bilder in der Wechselausstellung und überall im Haus einen kritisch-ironischen Blick auf die Museumswelt und den Kunstbetrieb werfen. Die andere ist ein "vermittelnder" (Kaiser) Strang, der europäische Moderne mit amerikanischer Spätmoderne verschränkt, Picasso und Pollock zusammenbringt, Minimal-Kunst und den russischen Konstruktivismus.

Hier operiert Kaiser mit wunderbaren Blickachsen - Gerhard Richters Akt "Emma" schreitet gewissermaßen auf Yves Kleins blauen Körperabdruck einer Frau zu -, ehrt endlich den Kölner Kai Althoff (bevor das MoMA es tut), feiert Candida Höfers faszinierende Türkenbilder (eine Neuerwerbung), bietet einen kompakten Kippenberger-Raum mit der lächelnden "Sympathischen Sozialistin". Drei Etagen, drei Temperamente, ein großer Wurf.

Museum Ludwig Köln; bis 26. Januar. Di-So 10-18 Uhr, Eröffnung: Donnerstag, 19 Uhr

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