Ausstellung im Wallraf in Köln Meisterwerke aus sechs Jahrhunderten

Köln · „Von Dürer bis van Gogh“: Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt eigene Werke und die Sammlung Bührle im Dialog. Zu sehen sind Bilder vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Der Schwerpunkt liegt auf dem Impressionismus.

 Im Dialog: Lindenholz-Skulptur „Maria mit Kind“ aus der Sammlung Bührle und „Muttergottes mit der Wickenblüte“ aus dem Wallraf.

Im Dialog: Lindenholz-Skulptur „Maria mit Kind“ aus der Sammlung Bührle und „Muttergottes mit der Wickenblüte“ aus dem Wallraf.

Foto: Thomas Brill

Es war nicht einfach für Leopold Reidemeister, als Direktor des Wallraf-Richartz-Museums den insbesondere durch Waffenverkäufe reich gewordenen Schweizer Industriellen Emil Bührle auszutricksen, zumal man im gleichen Impressionisten-Teich fischte und Bührle auf diesem Feld die Preise diktieren konnte. Doch dann und wann klappte es: 1956 erwarb etwa Reidemeister Alfred Sisleys 1874 gemalte „Brücke von Hampton Court“ aus rheinischem Privatbesitz.

Wohl wissend, dass Bührle das Pendant besaß, Sisleys „Regatta in Hampton Court“. Die Herren führten darüber eine freundliche Korrespondenz. Es stellte sich heraus, dass das Kölner Bild am Vormittag von der Terrasse des Castle Inn mit Blick auf die Themse gemalt wurde, das Zürcher Bild mit einem leichten Schwenk nach rechts in der Nachmittagssonne desselben Tages.

60 Jahre nach dem Kölner Erwerb hängen diese beiden wunderbar intensiven Impressionisten nun nebeneinander im Wallraf. Nicht die einzige Überraschung der Ausstellung „Von Dürer bis van Gogh“, die kein bloßes „Best of“ der Zürcher Sammlung Bührle ist, sondern ein unter subtiler Regie der Kuratorin Barbara Schaefer inszenierter fulminanter Dialog der öffentlichen Sammlung des Wallraf mit der privaten Kollektion Bührles auf gleicher Augenhöhe. Es ist ein spannendes Konzept, denn jede Paarung der insgesamt 64 Gemälde öffnet und verändert den Blick auf das jeweils andere Bild.

Die Ehe hat dem Maler offenbar gutgetan

Es entstehen überdies weitere Korrespondenzen. Etwa, wenn unweit der beiden Sisleys das zehn Jahre zuvor entstandene Porträt des matten, aufgedunsenen Sisley durch Auguste Renoir aus der Bührle-Sammlung dem später, um 1868 ebenfalls von Renoir gemalten Kölner „Paar im Grünen“ begegnet, hinter dem sich vermutlich das Ehepaar Sisley verbirgt. Die Ehe, so sieht man, scheint dem Maler gutgetan zu haben. Rank, schlank und vital, voller Körperspannung umgarnt er seine schöne Frau.

Der Reigen der Meisterwerke reicht vom späten Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert. Er umfasst etwa den Kölner „Kleinen Kalvarienberg“ vor Goldgrund des Meisters der heiligen Veronika und die ebenfalls um 1415 entstandene Zürcher Kreuzigung, eine Tafel aus den Niederlanden. Frappierend sind die Parallelen, faszinierend ist die hohe Qualität. Das trifft auch auf ein spektakuläres Dialogpaar zu, das der niederländische Maler Aelbert Cuyp um 1645 in seiner Heimatstadt Dordrecht schuf: Das eine Bild zeigt Fischerboote im Mondschein, das andere ein mächtiges Gewitter über der Stadt. 1802 wurden beide Gemälde auf einer Auktion angeboten und getrennt. Die Fischerboote landeten über Umwege im Wallraf, der Blitz bei Bührle. 200 Jahre nach der Trennung hängt das Duo nun in Köln.

Das „Goldene Zeitalter“ ist mit nur wenigen, aber hochkarätigen Werken vertreten. Dafür wird der Besucher in der Abteilung, die das französische 19. Jahrhundert beleuchtet – mit Eugène Delacroix, Henri Fantin-Latour und Gustave Courbet –, im Kapitel Impressionismus – mit Renoir, Camille Pissarro, Sisley und Claude Monet –, schließlich in der Abteilung über den Postimpressionismus und „Väter der Moderne“ regelrecht verwöhnt. Dieses letzte Kapitel versammelt herrliche Werke von Paul Cézanne, Paul Gauguin und Vincent van Gogh.

Die letzte Paarung, van Goghs berühmte idyllische „Zugbrücke“ von 1888 aus dem Wallraf und als Kontrast dazu dessen „Seine-Brücken bei Asnières“ (1887) aus der Sammlung Bührle mit ihren Spuren von Urbanität und Industrialisierung, stößt das Tor zur Moderne weit auf. Was man auch am Weiß der Wände ablesen kann, die sich dem „White Cube“ annähern.

Ansonsten badet das Wallraf in Farben: Bordeauxrot und mausgrau, tauben- und hellblau präsentieren sich die Wände. Des Guten leicht zu viel. Buchstäblich in einer Grauzone arbeitet Kuratorin Schaefer mit epochenübergreifenden Paarungen, wo etwa Gauguins stillende Mutter auf gotische Marienpendants und Albrecht Dürers „Pfeifer und Trommler“ auf den 400 Jahre später entstandenen „Violinspieler“ des Kubisten Georges Braque treffen. Auf den ersten Blick ein recht bemüht wirkendes museumspädagogisches Exerzitium, bei näherem Hinschauen ein nicht immer gelungener, manchmal aber äußerst anregender Augenöffner.

Das Wallraf macht seinem Ruf, eine Schule des Sehens zu sein, alle Ehre. Und wenn dieser Unterricht mit derart vielen Meisterwerken versüßt wird: Was will man mehr? Die gelungene Schau und der begleitende, ausgezeichnete Katalog verschweigen auch nicht die mitunter problematische Biografie Bührles und das Kapitel Raubkunst (wir berichteten). Provenienzforschung wird in Zürich wie in Köln großgeschrieben.

Bleibt zu klären, wie Reidemeister den Sisley kaufen konnte. „Wie kommt der Teufel zu dem Geld?“, fragt er sich selbst in einem Brief an Bührle. Und antwortet: „Es hat mir Picasso eingebracht.“ So ging das damals, vom Erlös einer guten Ausstellung ein kleines Meisterwerk kaufen zu können.

Wallraf-Richartz-Museum Köln; bis 29. Januar 2017. Di-So 10-18 Uhr. Katalog (Belser) 29,90 Euro

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