Rock am Ring 2016 "Matsch am Ring"

Meinung | Mendig · Die Situation auf den Camping- und Parkplätzen war unabhängig von dem Unwetter katastrophal. Die Fans übten sich dennoch in Zweckoptimismus.

Die malerische Landschaft der Vulkaneifel hat schon so einiges an Lärm miterlebt. Die Krater sind zwar lange verstummt, doch dass nun ausgerechnet zwei Extremereignisse wie Rock am Ring und ein dramatisches Unwetter aufeinanderfielen - man könnte es Künstlerpech nennen, um mit dem Zweckoptimismus zu sprechen, den viele der Festivalbesucher am frühen Samstagabend bemühten.

Während es zu diesem Zeitpunkt noch zwei Stunden dauern sollte, ehe der Spielbetrieb auf den Bühnen doch noch einmal aufgenommen wurde, reisten einige Besucher allerdings frustriert ab: "Mir ist mein Leben wichtiger als die Red Hot Chili Peppers", sagte Tobias Landvogt aus Wetzlar. 240 Euro hatte er für sein Ticket bezahlt - und damit eigentlich auch ein privilegiertes Camping mitgebucht. Doch chaotische Verhältnisse schon bei der Anreise am Donnerstag hatten ihn gezwungen, das normale Camping in Anspruch zu nehmen. Dort versank er gemeinsam mit allen anderen in einer übel riechenden und trostlosen Schlammlandschaft. Viele Besucher klagten über die schlechte Organisation bei der Anreise und extrem weite Wege zwischen Auto und Campinggelände.

Die meisten Fans ließen sich ihre Laune aber nicht verderben. Thomas Großkemper war zum siebten Mal bei Rock am Ring und bester Dinge: "So abgesoffen sind wir noch nie. Aber ich komme aus dem Sauerland, schlimmer als dort ist es nirgendwo." Wer keine Gummistiefel mitgenommen hatte, war ohnehin verloren. Bereits im Laufe des Freitags war das Angebot bei umliegenden Verkäufern schnell zur Neige gegangen. Ein Witz machte die Runde: "Ich schmeiße alles hin und verkaufe Gummistiefel bei Rock am Ring." Besonders auf dem Campingplatz "Caravan West" hingen die Besucher bis zu den Waden im Schlamm. Bei vielen Fans hatte das Festival dieses Jahr seinen Namen weg: "Matsch am Ring".

"Zum Glück habe ich es nicht weit bis nach Hause. Dort hab ich die Nacht verbracht", strahlte Nico aus der direkten Umgebung, der dabei ebenso lustig wie ergebnislos eine Angel ins Brackwasser hängen ließ. Andere Besucher sorgten mit spontanen Konfetti-Aktionen für Aufmunterung und jeder musste sich an der "Wall of Beer" verewigen, einem mit platt gedrückten leeren Bierdosen garnierten Bauzaun. Aus einem Zelt, in dem die Luftmatratze auf einem Film abgestandener Brühe dahinschwamm, rief Marc aus Hannover unverwüstlich mit erhobener Faust: "Du kannst den Metal nicht zerstören!" Wer sich vom Dreck der Festivaltage befreien wollte, der musste an den auf dem gesamten Gebiet verstreuten Sanitärstationen mitunter sehr lange warten und anstehen. "Mit schweren, matschverschmierten Stiefeln unter die Dusche zu gehen, das ist Festivalfeeling pur", sagte Alex aus Ochtrup. Andere wiederum berichteten von widerlichen Zuständen an einigen Ecken der Campingplätze: "Die mobilen Toiletten laufen über und anstehen muss man hier mindestens 60 Minuten", echauffierte sich Thomas aus Leipzig.

Und dann noch "Don't look back in anger" - der alte Oasis-Hit dröhnte kurz vor Ende des Festivals aus einem der Zelte: Schaue nicht wütend zurück. Den Fans, die für viel Geld kaum eine Band haben spielen sehen, werden sich im kapitalen Rückreisestau so ihre Gedanken dazu gemacht haben.

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