Interview mit Little Steven Laut und wild

Er war die rechte Hand von Bruce Springsteen und im Fernsehen ein echter "Soprano". Jetzt macht der Amerikaner Little Steven wieder Musik und spielt auch in Köln.

Steven Van Zandt ist der Musiker, den die Rockwelt in erster Linie unter dem Namen Little Steven kennt. Und der Schauspieler, der als Mafioso Silvio Dante in der Fernsehserie "Die Sopranos" weltweit von sich reden machte. Zu höchsten Ehren kam Little Steven allerdings als musikalischer Partner des Rockstars Bruce Springsteen und dessen E Street Band.

Nach langer musikalischer Abstinenz ist Little Steven in diesem Jahr wieder mit seiner Band The Disciples of Soul unterwegs. Die Tournee hat er dem Berufsstand der Lehrer gewidmet. "Lehrer haben's wirklich schwer, und ich will mich mit ihnen solidarisch zeigen", sagt der 67-jährige Amerikaner. So hat er mit seiner Stiftung unter anderem Musik-Lehrpläne entwickelt, die sich auf http://teachrock.org kostenlos herunterladen lassen. Am 4. Juli gastiert der Sänger und Gitarrist mit seiner Band im Kölner E-Werk. GA-Redakteur Dylan Cem Akalin erreichte Little Steven telefonisch in dessen Büro in New York.

Mr. Van Zandt, hören Sie eigentlich noch gut?
Steven Van Zandt: (lacht)

Ich habe Sie 1987 in Bochum erlebt. Es war das lauteste Konzert, das ich je gehört habe.
Van Zandt: (lacht laut)

Es war laut, wild. Ist das eine Art Lebensmotto?
Van Zandt: Ja, ich liebe das laute Leben. Na ja, es geht mir jedenfalls gut. Das, was man als Zuschauer hört, ist nicht das, was wir auf der Bühne mitbekommen. Aber ja, es ist laut.

Das Album "Darkness on the Edge of Town" mit Springsteen feiert 40. Geburtstag. Erinnern Sie sich an die Entstehung?
Van Zandt: Ja, natürlich. Es war die Zeit, als unsere Kreativität geradezu explodierte. Für "Dark- ness" hatte Bruce 50 Songs geschrieben. Es war bemerkenswert, das mitzuerleben. Bruce schrieb und schrieb und schrieb. Alles gutes Zeug.

Was hat sich seitdem alles geändert?
Van Zandt: Es war früher unendlich schwierig, den Sound, der dir vorschwebte, auch so aufzunehmen. Also rein technisch. Das war auch der Grund, warum mich Bruce bei den nächsten Alben als Co-Produzent haben wollte.

Warum Sie?
Van Zandt: Ich bin ein guter Produzent und einer, der eine natürliche Begabung dafür hat, Livesounds einzufangen. Es fällt mir nicht schwer, live eine Beziehung zwischen Band und Zuschauer zu schaffen. Doch die 70er waren, was die Aufnahmetechnik betrifft, die schlimmste Zeit im Musikbusiness.

Was war denn so schlimm?
Van Zandt: Techniker hatten die totale Kontrolle. Alles wurde getrennt, auf verschiedenen Kanälen aufgenommen. Das machte den Sound makellos, aber auch steril. Da war nichts, was mal aus dem Ruder laufen konnte. Das Schlimmste, was dem Rock 'n' Roll passieren konnte.

Aber es gab doch großartige Alben in den 70ern, oder?
Van Zandt: Der Punkt ist, dass diese großartigen Alben nicht wegen, sondern trotz der Technologie entstanden sind. Auf dem Album "The River" klangen die Drums fantastisch - und sechs Monate später wurde das Sampling erfunden! Du konntest plötzlich einen Drumsound aufnehmen, für den du in den 70ern noch hart gearbeitet hattest.

Hat das frustriert?
Van Zandt: Wenn ich mir überlege, was ich alles versucht habe, um einen bestimmten Klang des Schlagzeugs aufzunehmen, wie oft wir die Mikrofone versetzt haben. Und plötzlich brauchtest du nur einen Knopf zu drücken. Ich denke, das war auch der Grund für das Entstehen von Punk. Die Punks wollten etwas machen, das wilder und natürlicher war.

Erst machen Sie bei Springsteen mit, sind maßgeblich auch für den Erfolg von Southside Johnny verantwortlich und verschwinden dann im Filmgeschäft. Warum haben Sie sich aus der Musik herausgezogen?
Van Zandt: Mhm, ich war ja auch ziemlich politisch engagiert. Und ich habe fünf Soloalben gemacht. Aber irgendwie habe ich das nicht als Karriere gesehen, sondern eher als künstlerisches Abenteuer, was wahrscheinlich ziemlich naiv war. Ich hatte nie einen Manager, was ein großes Problem war.

Was genau war das Problem?
Van Zandt: Es wurde immer komplizierter, auch das Geschäftliche im Auge zu behalten. Und dann kam das Angebot von David Chase, bei den "Sopranos" mitzumachen. Damit war ich zehn Jahre beschäftigt. Dann kam die Serie "Lilyhammer", und ich war vier Jahre in Norwegen.

Und dann kam erneut Bruce Springsteen.
Van Zandt: Ja, er brachte die E Street Band wieder zusammen, und wir waren auf Tour. Und ehe du dich versiehst, sind wieder 20 Jahre vorbei. Und jetzt bin ich dabei, mich wieder neu zu erfinden. Ich brachte "Soulfire" raus und jetzt das Live-Album.

Was war der Beweggrund?
Van Zandt: 2016, nach der Tour mit der E Street Band, fragte mich in London dieser verrückte Promoter: Wann kommst du mal wieder nach London? Ich sagte: Meine Frau Maureen und ich werden zu Bill Wymans 80. Geburtstag wiederkommen. Der Promoter stellte ein Festival auf die Beine, ich sollte dort spielen. Tja, da war ich plötzlich mit der Band und spielte Stücke, die ich 25 Jahre nicht mehr gespielt habe.

Hat sich Ihre Haltung zur Musik insgesamt geändert?
Van Zandt: Eigentlich nicht. Vielleicht ist meine Musik etwas anspruchsvoller geworden. Deswegen kann ich im Studio und auf der Bühne auch keine reinen Rockmusiker mehr einsetzen.

Warum nicht?
Van Zandt: Ich brauche Session-Musiker, die wissen, was ich will. Wer zu meiner Show kommt, erlebt zehn verschiedene Genres der Popularmusik. Salsa, Folkrock, Soul, alles Mögliche.

Was ist mit Inhalten? Sie haben immer Ihre Stimme erhoben, etwa gegen die Apartheid in Südafrika. Auf dem Live-Album bemerken Sie zwar in einer Ansage, niemand in Amerika sei politisch. Warum ist das Album auch nicht politisch?
Van Zandt: Die politische Stimmung ist zurzeit so schwierig. In den 80ern liefen ein paar ziemliche schlimme Sachen ab, und es war wichtig, den Menschen die Augen zu öffnen. Heute ist doch sehr offensichtlich, was passiert. Die Gesellschaft ist dermaßen gespaltet. Eine Brücke zu bauen ist wichtiger, als den Graben weiter zu vertiefen.

Haben Sie resigniert?
Van Zandt: Nein, nein, ganz im Gegenteil! Ich habe eine sehr bewusste Haltung. Ich finde es wichtig, zurzeit nicht die eine oder andere Seite zu stärken. Wir brauchen Konsens, wir müssen zueinanderfinden. Global. Sonst haben wir irgendwann einen weltweiten Bürgerkrieg.

Bruce Springsteen schwärmt in seinem Buch geradezu überschwänglich von Ihnen. Was schätzen Sie an ihm?
Van Zandt: Als wir jung waren, war er derjenige, der sich hundert Prozent dem Rock 'n' Roll verschrieben hatte. Du musst schon verrückt sein, um dein Leben dem Rock 'n' Roll zu widmen. Seine Zielstrebigkeit hat mich immer wieder beeindruckt.

Und sonst?
Van Zandt: Er ist der einzige Typ, den ich kenne, der nie Drogen nahm. Er hatte auch nie was mit Alkohol. Und er war der einzige Typ, der nicht neben der Musik noch einen anderen Job hatte, um über die Runden zu kommen. Er hat es geschafft, von der Musik zu leben. Dagegen ist mein Leben ein einziges Chaos. (lacht)

Little Steven

Geboren am 22. November 1950 in Massachusetts. 1975 wird er Mitglied in der E Street Band von Bruce Springsteen und Koproduzent des Albums "Born to Run". 1982 tritt Steven Van Zandt mit seiner eigenen Band The Disciples of Soul bei der Rockpalast-Nacht in Essen und 1984 auf der Loreley auf.

1985 gründet Little Steven die Initiative Artists United Against Apartheid. 1999 wirkt er in der reaktivierten E Street Band mit und übernimmt in der US-Fernsehserie "Die Sopranos" die Rolle des Silvio Dante. Ab 2012 spielt er in der norwegisch-amerikanischen TV-Serie "Lilyhammer" einen Mafiaboss im Exil.

Konzerttipp

Little Steven & The Disciples of Soul, Köln, E-Werk, 4. Juli, 20 Uhr

Karten in den GA-Geschäftsstellen, unter Tel. 0228/502010 und www.bonnticket.de

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