Ausstellung "Radio Zeit" in Köln Die erstaunliche Entwicklung der Rundfunkgeräte

Köln · Jeder kennt es und fast jeder besitzt eines. Es ist das erste elektronische Massenmedium: das Radio. Vor 120 Jahren gelang es erstmals, gesprochene Zeilen von einer Empfangsstation zur nächsten zu senden.

 Museum für Angewandte Kunst Köln, MAKK, Radio LA 42 Tykho, Marc Berthier, Firma Lexon, Barcelona, 1998

Museum für Angewandte Kunst Köln, MAKK, Radio LA 42 Tykho, Marc Berthier, Firma Lexon, Barcelona, 1998

Foto: MAKK

Seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich der Hörfunk etabliert und auch wenn die äußerliche Form des Radios zu dieser Zeit noch unklar war, ließen sich die Hersteller nicht abschrecken.

Die Apparate wurden schnell zu einer wichtigen Aufgabe für bedeutende internationale Designer. Sogenannte Bratpfannen – Radios so groß und flach wie eine hausübliche Bratpfanne – oder Space Radios, die an Planeten oder Astronautenhelme erinnerten, sind das Ergebnis einer ganzen Epoche.

Mit der Ausstellung „Radio Zeit – Röhrengeräte, Design-Ikonen, Internetradio“ lockt nun das Kölner Museum für Angewandte Kunst (MAKK) Besucher. Es wird nicht nur die erstaunliche Entwicklung der Rundfunkgeräte präsentiert, sondern mit mehr als 230 Radios und Kombinationsanlagen ist eine der umfangreichsten Sammlungen dieser Art in Deutschland zu sehen.

Der Weg des Radios reicht von puren Komponenten und hölzernen Kisten, „Kathedralen“ und „Wolkenkratzern“, kultigen Designobjekten und opulenten Musiktruhen bis hin zu winzigen Spaßgeräten. Und: Im Zeitalter des Internetradios und der Smartphones droht der Apparat selbst nun wieder zu verschwinden.

In 20 Kapiteln wird die Geschichte des Radiodesigns bis heute nachgezeichnet und das an Hand von Exponaten namhafter Designer wie Norman Bel Geddes, Mario Bellini, Achille & Pier Giacomo Castiglioni, Ray & Charles Eames, Fritz Eichler, Hans Gugelot, Verner Panton, Dieter Rams, Richard Sapper, Philippe Starck, Walter Dorwin Teague und Marco Zanuso.

Die Radiogeräte in der Kölner Ausstellung schweben von der Decke, sehen aus wie Kommandobrücken eines Raumschiffs oder wie futuristische Möbel. Kuratorin Romana Breuer kennt solch ein Multifunktionsgerät noch aus ihrer Kindheit. „Meine Eltern hatten auch so eine Musiktruhe, die hat mich natürlich interessiert, weil in dieser Musiktruhe auch eine Bar war. Das war alles verspiegelt und sah alles so toll und edel aus.“

Am Anfang stand Funktion vor Design

Dabei stand am Anfang des Radiogeräts allein seine Funktion im Vordergrund so wie das Holzgehäuse aus den zwanziger Jahren – schmucklos, dunkel und groß. Eine freiere Form erlaubte dann schon in den dreißiger Jahren der Press-Phenolharz, der sich biegen und färben lässt. Tatsächlich ist es der deutsche Volksempfänger VE 301, der ein überraschendes Design hervorbrachte.

Die Zahl 301 im Namen des Gerätes steht dabei für den 30. Januar, die Machtergreifung der Nationalsozialisten. „Der Volksempfänger ist ein typisches Art-déco-Radio, dass sich an Kathedralarchitektur orientiert, mit einem Portalbogen, einer Fensterrosette“, so die Kuratorin.

Der Volksempfänger war natürlich auf verschiedene Frequenzen einstellbar, mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde jedoch das Abhören von „Feindsendern“ mit dem Tode bestraft. Aus dieser Zeit stammt der Flüsterwitz: „Lieber Gott mach mich taub, dass ich nicht am Radio schraub' “.

Der erste Teil der Kölner Ausstellung deckt chronologisch die Zeit bis 1950 ab. Dabei sind 190 Geräte aus dem „Goldenen Zeitalter“ des Radiodesigns zu bewundern. Darunter solche Hingucker wie das lippenstiftrote „5 A 410 A Cooler Radio“ mit weißem Coca-Cola-Schriftzug, das nicht nur Sendungen übertrug, sondern auch für eiskalte Getränke sorgte.

Im zweiten Teil der Schau (1950 bis heute) entdeckt man Weltempfänger von Braun, Kombigeräte von Blaupunkt oder Stylishes von Bang & Olufsen. Elf Hörstationen vermitteln das Thema auch akustisch. 49 zeittypische Beispiele aus Politik, Geschichte und Sport, Werbe-Jingles, Reportagen und Hörspiele machen das zu einem sinnlichen Erlebnis.

Die Musiken und Geschichten, die aus dem Rundfunkgerät ins heimische Wohnzimmer schallten, sind mit Hilfe gelungener Rauminszenierungen noch einmal zu hören, zum Beispiel die englischsprachige Reportage vom Brand des Zeppelins Hindenburg.

Mit politischen Bezügen, untermauert vom jeweiligen Lebensgefühl, unternimmt die Ausstellung eine Zeitreise durch die letzten hundert Jahre über glitzernde Radiogeräte, die von innen leuchten, mit sogenannten Gebisstasten, Radios, die an Schlittschuhe erinnern, an Toaster, an Kühlschränke, an Auto-Armaturen. Oder an Urnen.

Die Form des Radios bleibt konstant

Neben außergewöhnlichem Design suchte Kuratorin Romana Breuer aber auch nach einem speziellen Formenkanon, der sich durch die Geschichte des Radiogeräts zieht. Tatsächlich fand sie ihn in einem dunklen Gehäuse der dreißiger Jahre. Er hat eine quer-rechteckige Form.

Man könnte ihn auch aufstellen und er hat abgerundete Ecken wie das Smartphone von heute oder die Braun-Geräte in den fünfziger Jahren. Apple hat auch diese Form übernommen. „Das ist dieser Kanon, der sich in dieser Ausstellung herauskristallisiert hat“, erklärt Breuer.

Apple schaute sich auch die Kompaktanlage genau an, die Hartmut Esslinger Ende der siebziger Jahre für die deutsche Firma Wega entworfen hatte: Ein klares Design, in einem schwarzen Gehäuse, in dem die einzelnen Komponenten wie Plattenspieler, Kassettenrekorder und Radio übersichtlich nebeneinander angeordnet sind.

Ghettoblaster, tragbare Transistorgeräte, Hi-Fi-Türme, Geräte, die auf Bewegung reagieren – Designer wie Dieter Rams oder Philippe Starck arbeiteten sich an dem Gehäuse ab, auf der Suche nach der idealen Form zwischen Funktion und Spaßfaktor.

Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist das Radio nicht mehr an einen gesonderten Audioapparat gebunden. Radioempfang ist am PC oder mit multifunktionalen Geräten wie Smartphones und Tablets möglich. Der Nutzer braucht nicht mehr die Sendezeiten zu beachten, sondern kann selbst entscheiden, wann er welche Sendung abrufen möchte. Doch das Radiodesign lebt weiter – und orientiert sich heute noch an den Vorgängern aus den dreißiger Jahren.

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