Premiere in Köln Die Teilung des Roten Meeres im Puppenformat

Köln · Lotte de Beers außergewöhnliche, bildmächtige Inszenierung von Gioachino Rossinis selten aufgeführte Oper „Mosè in Egitto“ im Staatenhaus.

 Gesungen wird in schönem Rossini-Tonfall: Ante Jerkunica (Mosè), Anton Rositskiy (Osiride) und Chor der Oper Köln. FOTO: PAUL LECLAIRE

Gesungen wird in schönem Rossini-Tonfall: Ante Jerkunica (Mosè), Anton Rositskiy (Osiride) und Chor der Oper Köln. FOTO: PAUL LECLAIRE

Foto: Paul Leclaire

In den Erzählungen des Alten Testaments gab sich Gott öfter als parteiisch zu erkennen. Die Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten ist dafür eines der spektakulärsten Beispiele. Hier mischt sich der Herrscher des Himmels ganz konkret in die irdische Politik ein, unterstützt das ausgewählte Volk in dessen Bestrebungen, der Sklaverei unter Ägyptens Knute zu entfliehen. Er tut das, indem er zunächst die Unterdrücker mit zehn Plagen überzieht und am Ende für die fliehenden Israeliten die Wassermassen des Roten Meeres teilt, so dass sie trockenen Fußes das rettende Ufer erreichen. Die feindlichen Verfolger aber reißen die Fluten des sich wieder schließenden Meeres in den Tod.

In Gioachino Rossinis „Mosè in Egitto“ liefern diese biblischen Vorkommnisse den spektakulären Rahmen für eine klassische Liebestragödie, die sich zwischen der Hebräerin Elcia und dem Pharaonensohn Osiride abspielt. In Köln, wo das selten aufgeführte Werk als Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen überhaupt zum ersten Mal zu erleben ist, verbindet Regisseurin Lotte de Beer die Schauwerte des biblischen Stoffes und die Liebesgeschichte mit theaterwirksamem Geschick.

Dabei bedient sich die Niederländerin eines genialen Kniffs, indem sie ihre Landsleute vom Theaterkollektiv Hotel Modern ins Boot holt, die auf der Theaterbühne gleichsam die Rolle Gottes übernehmen. Sie sind Demiurgen, die die Welt auf der Bühne in Echtzeit erschaffen. Das tun sie, indem sie zum Beispiel Modelle von Gebäuden und kleine, fingergroße Figürchen bewegen, abfilmen und auf eine Kugelhülle im Zentrum der von Wüstensand umgebenen Drehbühne (Ausstattung Christoph Hetzer) im Saal 2 des Staatenhauses projizieren. So wird das Publikum Zeuge von Massenszenen, von Feuersbrunst – oder vom Leid unter Trümmern begrabener Menschen und den verzweifelten Versuchen der Helfer, sie zu bergen. Die Puppen sind auf ihre Weise ausdrucksstark und berührend.

Die biblischen Plagen zu Beginn der Oper verdeutlichen ins Monströse aufgeblähte Heuschrecken (die bei Rossini eigentlich nicht vorkommen), die über eine schwarze Gardine schwirren, die als Vorhang vor die Bühne gezogen wurde und zugleich die Plage der totalen Finsternis verdeutlicht.

Aber die Demiurgen wirken nicht nur im Hintergrund, sondern lenken auch die Menschen auf der Bühne wie Puppen, korrigieren in ihren blaugrauen Arbeitsmonturen Gesten, Haltungen, arrangieren sie zu Tableaus, diskutieren leise das eben geschaffene, ordnen neu. Das relativiert freilich die Gefühlslagen der Opernfiguren. Affekte wie Liebe, Hass und Wut wirken oft buchstäblich wie aus zweiter Hand. Nur wenn die „Bühnenarbeiter“ die Zügel etwas schleifen lassen, erhalten die Figuren menschliche Züge.

Echte Gefühle in der Musik

Dabei bietet Rossini viel echtes Gefühl in seinem Werk, das er zwar eine „Azione tragico-sacra“ nennt, das aber in Wahrheit doch eher als Oper herüberkommt. Freilich mit großem Choranteil, den Andrew Ollivant bestens vorbereitet hat. Die unter der Leitung von David Parry vom Gürzenich-Orchester, das links hinter der Bühne platziert ist, mit Verve gespielte Musik leugnet kaum einen Augenblick die Herkunft aus Rossinis Werkstatt. Sie wirkt federleicht auch im Tragischen. Gesungen wird ebenfalls in schönem Rossini-Tonfall.

Anton Rositskiy gefällt als Osiride mit geschmeidiger Tenorstimme, die nur in den Spitzentönen etwas mehr Kontrolle verlangt. Mariangela Sicilia gibt als Elcia eine berührende Vorstellung. Begeisternd auch Adriana Bastidas-Gamboa als Amaltea, Sunnyboy Dladla als Aaron, Young Woo Kims Mambre und Sara Jo Benoots Amendfi. Überragend schließlich die stimmgewaltige Darstellung der Titelfigur Mosè durch den Bassisten Ante Jerkunica wie auch Joshua Blooms kaum weniger beeindruckender Einsatz als Pharao.

Der Auszug aus Ägypten wird übrigens in einer kleinen Holzwanne angerührt. Doch wie die kunstvoll ausgeleuchteten Wasserstrudel und -bläschen auf der Leinwand zu sehen sind, das ist noch einmal echt spektakulär. Das Kölner Publikum war begeistert.

Termine: 13., 15., 20., 22., 26. und 28. April. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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