Lit.Cologne-Finale im Kölner Dom Der doppelte Franziskus

Köln · Größer ging es nicht: Die Lit.Cologne endete am Samstag mit einer grandiosen Lesung im voll besetzten Dom. Doch die 5000 Besucher feierten kein Fest mit katholischem Glanz und Gloria, sondern eines der inneren Größe.

Im Zentrum des von Jörg Frank klug gebauten Programms standen mit dem Heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) und Papst Franziskus zwei Männer von äußerster Bescheidenheit. Der Eintritt war kostenlos - gebeten wurde um eine Spende für die Syrien-Hilfe und um Unterstützung der jungen Kulturstiftung am Kölner Dom, die den Auftritt des Ensembles Ars Choralis Coeln finanziert hatte.

Mit dem "Brief an die Lenker" von 1220 erwies sich der Ältere auf Anhieb als frappierend modern. Martin Reinke gab Franz von Assisi, von dem 37 Texte überliefert sind, eine kraftvolle Stimme. Wetterte gegen Mächtige und Reiche, die für ihr Desinteresse an Mensch und Gott Qualen in der Hölle erleiden werden und trichterte im "Brief an einen Minister" dem so bezeichneten franziskanischen Ordensleiter Erbarmen und Liebe auch und besonders für jeden nicht ganz linientreuen Bruder ein.

Das traf genau den Geist des argentinischen Kardinals Jorge Mario Bergoglio, der am 13. März 2013 Papst Franziskus wurde. Seit er die Welt auf dem Balkon des Petersdoms einfach mit den Worten "Brüder und Schwestern - guten Abend!" begrüßte, stellt er seine "mondäne Kirche, die nur in sich für sich lebt" auf den Kopf. Er wolle "eine verbeulte Kirche" mit Mut zu Fehlern, eine, die sich um die Menschen kümmert, hat der Papst erklärt, dessen Redepassagen Joachim Król vortrug.

Aktuelle Äußerungen des Kirchenoberhaupts, interpretiert durch den Schauspieler - das ergab einen aparten Verfremdungseffekt, der den Zitaten aus Ansprachen und Interviews zusätzlich Intensität verlieh. Etwa in der Rede Franziskus' nach der Flüchtlingskatastrophe im Juli 2013 auf der Insel Lampedusa, ein flammender Appell gegen die "Globalisierung der Gleichgültigkeit": "Wer hat geweint?" Mit seinem Namen wollte der Papst dem radikalen Heiligen als Mann des Friedens und der Armut folgen. Vom wahren Reichtum zeugt der berühmte "Sonnengesang" des Franz von Assisi, mit dem er die Schönheit der zu bewahrenden Schöpfung feierte. Vorgetragen im riesigen (Klang-)Raum des Doms, gefolgt von einer konzentrierten Liedversion des Frauenchors - dieser Abend endete als einer der bemerkenswertesten in der Geschichte der Lit.Cologne.

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