Könige des Synthie-Pop Depeche Mode spielen vor 43.000 Fans im Kölner Stadion

Köln · Depeche Mode geben in Köln ein grandioses Konzert. 37 Jahre nach ihrer Gründung lösen die Könige des Synthie-Pop auch heute noch Stürme der Begeisterung aus.

 Depeche Mode spielen vor 43.000 Fans im Kölner Stadion.

Depeche Mode spielen vor 43.000 Fans im Kölner Stadion.

Foto: Thomas Brill

Um 22.15 Uhr greift Dave Gahan zur Waffe. Mitten auf dem Laufsteg, der in den Innenraum führt, reißt er eine futuristisch anmutende Flinte hoch. Aus der aber mitnichten Kugeln abgefeuert werden, sondern T-Shirts. Angesichts der drastisch verschärften Sicherheitsmaßnahmen, im Hinblick auf die Angst vor neuen Terroranschlägen, könnte man da schon etwas ins Grübeln geraten. Aber auf der Bass Drum von Christian Eigner (der ebenso wie Keyboarder Peter Gordeno Depeche Mode bei Auftritten unterstützt), prangt unübersehbar das „Peace“-Zeichen.

Und während sich mit „Never Let Me Down Again“ Montagabend im Kölner Stadion der offizielle Teil des Abends seinem Ende zuneigt, ist für derartig kontraproduktive Gedankengänge auch eigentlich kein Platz mehr. Der Jubel, die Freude und die Begeisterung, das Dahinschmelzen und schiere Hingerissen-Sein sind dafür viel zu groß. Zu diesem Zeitpunkt haben 43.000 Fans bereits 90 Minuten eines grandiosen, insgesamt mehr als zweistündigen Konzerts erlebt. Das am Ende nur einen Schluss zulassen wird: Depeche Mode sind die Könige des Synthie-Pops. Unangefochten.

Auch heute noch, fast 37 Jahre nach ihrer Gründung. Derzeit sind Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher unterwegs auf „Global Spirit“-Welttournee. Allein in Europa wollen das mehr als 1,5 Millionen Menschen in 21 Ländern sehen.

Mit „Going Backwards“ vom aktuellen Album „Spirit“ bieten die Briten einen soundtechnisch brachialen Einstieg. Aufgrund der vielen Konzertbesucher im Alter der drei 55-jährigen Protagonisten könnte man glauben, das Stück sei dem wehmütigen Blick zurück in die 1980er geschuldet. Stattdessen geht es aber darum, dass wir, bewaffnet mit neuen Technologien und erfüllt von innerer Leere, mehr und mehr den Höhlenmenschen ähneln, die wir dereinst waren. Kritische Töne waren schon immer Teil der Depeche Mode-Philosophie. Geraten aber bei so tanzbaren Hits wie etwa „Enjoy The Silence“ leicht in Vergessenheit.

Ein Schicksal, das auch Andrew Fletcher teilt, der gleich zu Beginn an seinem Keyboard im Hintergrund verschwindet, wo seine schwarze Sonnenbrille ein Übriges tut, ihn fast unsichtbar werden zu lassen. Martin Gore, der die meisten Stücke der Band schrieb, werden zumindest drei Songs zuteil, die er singen darf. Und wenn man hört, wie er bei „A Question of Lust“ noch einmal die bittersüße Qual der sexuellen Hörigkeit beschwört, fragt man sich: Warum eigentlich?

Die Antwort: Gave Gahan. Er ist der perfekte Mann im Mittelpunkt. Fast alles ist auf ihn zugeschnitten. Auf seine Posen, seine Körperlichkeit, seine Stimme. Rot und schwarz sind seine Farben. Pirouetten drehend, den Mikrofonständer hinter sich herziehend, als sei der eine seidene Stola, das pomadedunkle Haar mit beiden Händen zurückstreichend. Verschwitzte Tattoos, das schmale kleine Bärtchen wie hineingemalt ins Gesicht eines Gigolos aus den 20er-Jahren.

Ein begnadeter Poseur, der Mal Mephisto, Mal Don Juan oder die Ballerina gibt. Aber wenn nach „Everything Counts“ der Applaus auf ihn nieder brandet, dann lächelt er so fröhlich wie ein kleiner Junge beim Anblick der Kerzen auf seiner Geburtstagstorte. Auch wenn mit der fünften und letzten Zugaben, mit „Personal Jesus“, für viele im Stadion der Zenit des Abends erreicht ist, wirkt das Lächeln auf Gahans Gesicht doch länger nach. Hier kommt das Leuchten von innen.

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