Kölner Philharmonie David Garrett - Der Popstar kann es

KÖLN · Der Crossover-Star David Garrett möchte so gern auch als klassischer Geigenvirtuose ernstgenommen werden. Das ist verständlich: Er hat mit vier Jahren angefangen zu üben, bekam mit acht seinen ersten Plattenvertrag und studierte bei Itzhak Perlman an der New Yorker Juilliard School.

Für seine aktuelle Klassiktour hat er sich mit dem Verbier Festival Chamber Orchestra (VFCO) unter Christoph Koncz ein junges, aber renommiertes Ensemble gesichert. Was ihm fehlt, ist das richtige Publikum. Die Fans in der ausverkauften Kölner Philharmonie, die bis zu 142 Euro für eine Karte bezahlt haben, lieben ihren David als cool gestylten Pop- und Fernsehstar.

Von klassischer Musik wissen sie nicht viel und klatschen zuverlässig in jede Satzpause, wenn ihr Idol einmal nicht attacca weiterspielt. Davon abgesehen, und das macht dieses Konzert zu einem besonderen Abend, lauschen sie in atemloser Stille: Nie wurde in der Philharmonie so wenig gehustet wie bei David Garrett.

Das ist gut so, denn der Mann kann nicht nur Anekdoten zum Besten geben und charmant aus dem Nähkästchen plaudern - er kann auch Geige spielen. So gut, dass er es nicht nötig hätte, jedes Stück des italienisch geprägten Programms in der filmmusikalischen Einheitssoße eines fragwürdigen Orchesterarrangements zu ertränken.

In Paganinis Caprice Nr. 24 glitzern die chromatischen Läufe, rasenden Pizzicati und Flageoletts mit dem an Garretts Bogenhand prangenden Totenkopfring um die Wette, doch die halsbrecherischen Doppelgriffe gehen zum Teil in der dick aufgetragenen Begleitung unter. Giuseppe Tartinis "Teufelstriller"-Sonate spielt der 33-Jährige mit selbstverständlicher Geläufigkeit und Eleganz, doch die Orchesterfassung romantisiert das barocke Schmuckstück so schamlos, dass Puristen gar nicht anders können, als sich mit Grausen abzuwenden.

Wozu das Orchester in der Lage ist, hört man, wenn sich der Solist eine Pause gönnt: Die Ouvertüre zu Mozarts "Hochzeit des Figaro" und der erste Satz aus der "Italienischen" 4. Sinfonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy sprühen vor Energie, überzeugen mit Präzision und federnder Dynamik.

Das gleiche gilt für Vivaldis "Vier Jahreszeiten", die David Garrett und das VFCO einfach so spielen, wie der "prete rosso" sie aufgeschrieben hat. Christoph Koncz, am Pult des Konzertmeisters ebenso souverän wie als Dirigent, liest vor jeder Jahreszeit das entsprechende Sonett vor, so dass sich das Programm des Zyklus jedem erschließen kann. Den Rest erklärt die Musik. Ob Vogelgezwitscher, Sommergewitter oder Herbstjagd, David Garrett fiedelt technisch sauber und ausdrucksvoll; seine Phrasierung, von dem ein oder anderen überflüssigen schluchzenden Glissando einmal abgesehen, ist stimmig und lässt aufhorchen.

Kritiker, die ihm neben anderen Schwächen immer wieder ein mangelndes Gespür für die großen Bögen vorwerfen, hören offensichtlich oft nur das, was Garretts übermächtiges Popstar-Image suggeriert: Der kann unmöglich ein ernstzunehmender Klassikmusiker sein. Dabei wäre das Garrett so gern wieder. Auch deshalb rebelliert er mit einer hochseriösen Zugabe gegen das Bild des Crossover-Schönlings: Die strenge Sarabande aus der 1. Partita von Johann Sebastian Bach ist eine Zumutung für die Fans. Aber keiner hustet.

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