Literaturwochen in Siegburg Carmen Renate Köper las Geschichte von Franz Werfel zur Judenvertreibung

SIEGBURG · Nach dem letzten Satz blieben die rund 40 Zuhörer im Forum des Stadtmuseums wie gefesselt auf ihren Stühlen sitzen. Erst als Museumsdirektor Klaus Hardung Licht anforderte, löste sich langsam die Spannung beim Publikum. Es war vom vorgetragenen Text und der einfühlsamen Lesung der Rezitatorin Carmen Renate Köper gleichermaßen fasziniert.

Die Schauspielerin und Autorin hatte für die Siegburger Literaturwochen eine Erzählung des Schriftstellers Franz Werfel gewählt, der in den 20er und 30er Jahren zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren gehört hatte.

"Die wahre Geschichte vom geschändeten und wiederhergestellten Kreuz", so der Titel, ist der einzige von Werfel fertiggestellte Teil seines Romans "Cella oder die Überwinder", in dem es unter anderem um die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Nordburgenland im Frühjahr 1938 geht.

Der Schriftsteller beschreibt darin das Schicksal der Parndorfer Juden, die von in vorauseilendem Gehorsam agierenden nationalsozialistischen Mitbewohnern bei Mörbisch über die Grenze nach Ungarn abgeschoben und von den dortigen Grenzbehörden wieder nach Österreich zurückgeschickt werden. Er schildert die dramatische Situation der Vertriebenen, gedemütigt und ihrer Menschenwürde beraubt von den "Braunhemden" unter der Anführung des SS-Sturmführers Peter Schoch, im Niemandsland zwischen Mörbisch, Fertörakos und Sopron.

Der katholische Kaplan Ottokar Felix begleitet die kleine jüdische Gemeinde auf ihrer Odyssee und wird Zeuge davon, wie der Rabbiner Aladar Fürst ein in Form des Hakenkreuzes geschändetes Grabkreuz durch die Nazi-Schergen in seiner ursprünglichen Form wiederherstellt. Er bezahlt diesen symbolischen Akt mit dem Leben.

Werfel wurde 1890 in Prag geboren, verfasste schon als junger Mann Gedichte, schrieb neben Theaterstücken auch eine Reihe von gesellschaftskritischen Romanen sowie Dramen und fiel der nationalsozialistischen Zensur zum Opfer. 1938 ging er ins Exil, wurde 1941 amerikanischer Staatsbürger und starb 1945 in Beverly Hills, Kalifornien.

Für Carmen Renate Köper, Bühnen- und Filmschauspielerin sowie Autorin und "Kind des Nazi-Reiches" wie sie sich selbst nennt, ist die nicht so bekannte Geschichte Werfels, der zu ihrem Bedauern nie den Nobelpreis gewonnen hat, große Literatur, die das Grauen des Schreckensregimes in einer erschütternden Weise beschreibt.

Bewusst hatte sie sich deshalb für die Geschichte entschieden, weil die Lesung in unmittelbarer Nähe zum 9. November terminiert war. An dem Datum fand vor 75 Jahren die Reichspogromnacht statt. Für sie ist das Werk eine Mahnung gegen das Vergessen und ein gutes Beispiel für die "Zusammenführung der Religionen".

Überwältigt von der Erzählung zeigten sich auch Gero und Magrit Schachthöfer, die den Text zwar schon kannten, aber aufgrund der sensiblen Erzählweise von Köper tief bewegt waren. Sie bedauerten nur, dass kaum ein Jugendlicher im Publikum saß. Dem schlossen sich andere Besucher an, denn das Thema Zivilcourage sei heute aktueller denn je.

Info: Franz Werfel, "Die wahre Geschichte vom geschändeten und wiederhergestellten Kreuz" in "Das große Lesebuch", Fischer Taschenbuch Verlag, 8,95 Euro.

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