Der universelle Dilettant Can-Bassist Holger Czukay ist tot

Weilerswist · Als Can-Bassist und Klangtüftler wurde der Kölner Holger Czukay zur Legende. Jetzt starb er mit 79 Jahren in seiner Wohnung in Weilerswist.

 Bassist mit Horn: Holger Czukay beim Auftritt in Köln. FOTO: HORST MÜLLER

Bassist mit Horn: Holger Czukay beim Auftritt in Köln. FOTO: HORST MÜLLER

Foto: Horst Müller

Stockhausen-Schüler, Klangtüftler, verrückter Professor des Krautrocks: Für Holger Czukay lassen sich viele Etiketten finden. Er selbst bezeichnete sich gerne als „universellen Dilettanten“ – ein ironischer Hinweis darauf, dass seine Arbeitsweise eher von Experimentierlust als durch solide erlerntes Handwerk geprägt war. Trotzdem oder gerade deshalb gehört er heute zu den einflussreichen Rockmusikern, die Deutschland hervorgebracht hat. Er war Mitglied der Kölner Avantgarde-Rock-Band Can, auf die sich Generationen von Musikern berufen. Am Dienstag ist Czukay im Alter von 79 Jahren gestorben.

Medienberichten zufolge fanden ihn Nachbarn leblos in seiner Wohnung in Weilerswist, dem umgebauten Studio von Can. Just dort hatte Czukay, der eigentlich Schüring hieß, mit seinen Bandkollegen Bahnbrechendes hervorgebracht. 1968 gründete der Bassist mit Irmin Schmidt (Keyboards), Jaki Liebezeit (Schlagzeug) und Michael Karoli (Gitarre) sowie Malcolm Mooney (Gesang) Can.Liebezeit verstarb im Januar.

Die Gruppe kombinierte verschiedenste Stile, von Rock über Jazz bis zur Weltmusik und elektronischen Elementen. Die Stücke basierten auf langen Sessions mit spontanen Kompositionen. Danach wurden die Aufnahmebänder geschnitten und neu zusammengesetzt. Diese Montage war Czukays Spezialität. Dabei entstanden Hits wie „Spoon“ und wegweisende LPs wie „Monster Movie“, „Tago Mago“, oder „Future Days“.

Irgendwann war Czukay das Bass-Spiel zu fad: Er widmete sich mehr Geräten wie dem Diktafon oder dem Weltempfänger, dem er bizarre Klangschnipsel entlockte. Diese arbeitete er in seine Musik ein und nahm so die Sampling-Technik vorweg. Stilistisch entfremdete er sich jedoch von Can. 1977 verließ er die Gruppe und nahm mehrere Solo-Alben auf. Vor allem mit „Movies“ (1979) und „On The Way To The Peak Of Normal“(1981) schaffte er es, komplexe Klangspielereien mit Eingängigkeit, ja Tanzbarkeit, zu verbinden.

Der Kölner pflegte eine ganz eigene Art von Popmusik, die er oft mit Ulk und schrulligem Humor kreuzte. In den 90er Jahren wurde er von der Technoszene als Wegbereiter entdeckt. Für Czukay eine willkommene Möglichkeit, mit 60 noch einmal neue Wege zu gehen. So trat er unter anderem mit Dr. Walker auf. Später arbeitete er hauptsächlich mit seiner Frau Ursula (alias U-She), die Sängerin war. Sie starb erst vor wenigen Wochen.

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