Konzert in Köln Anne-Sophie Mutter und London Philharmonic Orchestra in der Philharmonie

Köln · Dass das Konzert des London Philharmonic Orchestra unter dem kanadischen Dirigenten Yannick Nézet-Séguin und mit der Geigerin Anne-Sophie Mutter in der Kölner Philharmonie ausschließlich russische Musik enthielt, war natürlich auf den ersten Blick zu erkennen. Nur eine Äußerlichkeit?

 Anne-Sophie Mutter, aufgenommen während der Proben in der Kölner Philharmonie.

Anne-Sophie Mutter, aufgenommen während der Proben in der Kölner Philharmonie.

Foto: Thomas Brill

Modest Mussorgskys Volksdrama "Chowanschtschina" stieß im Freundeskreis des Komponisten auf Unverständnis, erst die Orchestrierung des nur als Klavierauszug vorliegenden Werkes durch Nikolai Rimsky-Korsakow ebnete ihm den Weg. Das Vorspiel "Morgendämmerung an der Moskwa", ein luzides Stimmungsbild, hat sogar Popularität erlagt. Bei seiner Uraufführung hatte Peter Tschaikowskys Violinkonzert Erfolg beim Publikum, nicht aber bei den Kritikern. Diese Diskrepanz gibt es natürlich längst nicht mehr.

Dmitri Schostakowitschs 5. Sinfonie ist von außen betrachtet ein Werk reuiger Demut, freilich mit Doppeldeutigkeiten massiv durchsetzt. Sie sind eine Reaktion auf das Verdikt "Chaos statt Musik", welches zunächst der Oper "Lady Macbeth von Mzensk" gegolten hatte. Es stempelte den jungen Komponisten quasi zum Klassenfeind. Danach war das Leben von Schostakowitsch ein ständiges Lavieren zwischen scheinbarer Angepasstheit und innerlich glühendem Opposition, was musikalisch in Andeutungen und Umschreibungen Ausdruck fand.

Dieser Balanceakt begann mit der 5. Sinfonie. Die Walzer-Trivialität des 2. Satzes etwa besitzt einen ganz anderen Zuschnitt als vergleichbare Passagen bei Gustav Mahler. Dessen Pathos wiederum klingt authentisch, während der gedehnte Finalschluss bei Schostakowitsch plakatives Dur-Gerassel ist. Die sowjetischen Bonzen waren aber zufrieden.

Interpretatorisch ist das das alles nur bedingt "beweisbar". Insofern war es die richtige Entscheidung von Yannick Nézet-Séguin, Farben und Stimmungen beim Wort zu nehmen und bis zum Extrem auszureizen. Das "Deuten" durfte dann im Kopf der Zuhörer stattfinden.

Entschieden unproblematischer ist das Tschaikowsky-Konzert: trotz latenter Melancholie nichts von "Pathétique"-Düsternis, einzig Grandeur und Brillanz. Das Orchester, von Nézet-Séguin präzise auf das Spiel von Anne-Sophie Mutter abgestimmt, gab der Solistin einen funkelnden Klanghintergrund. Die Geigerin selber stieg ein wenig problematisch in das Werk ein, machte stark auf Magyarisch, indem sie Töne immer wieder anschliff.

Das legt sich zwar, doch kleinere Manierismen gab es auch später noch. Dem virtuosen Anspruch des technisch teuflisch schweren Konzerts wurde Anne-Sophie Mutter im Verein mit dem hellwachen und mächtig anfeuernden Dirigenten indes gerecht. Die außerordentlich schöne Tongebung des Solo-Oboisten hatte man bereits im "Chowanschtschina"-Vorspiel bewundern können.

Wegen unvorhergesehener Verkehrsprobleme begann das Konzert übrigens erst mit halbstündiger Verspätung.

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