Cameron Carpenter in der Philharmonie Als ob es kein Morgen gibt

Köln · Er hat die coolste Orgel der Welt: Cameron Carpenter präsentiert sich in der Kölner Philharmonie als Gesamtkunstwerk.

 Ein Gesamtkunstwerk: Cameron Carpenter und Orgel in der Philharmonie. FOTO: THOMAS BRILL

Ein Gesamtkunstwerk: Cameron Carpenter und Orgel in der Philharmonie. FOTO: THOMAS BRILL

Foto: Thomas Brill

Seine Finger sind schnell, die Füße noch schneller, und er hat die coolste Orgel der Welt. Cameron Carpenter (35), der US-Amerikaner mit dem Irokesen-schnitt, ist der populärste Organist auf dem Globus. Echo Klassik, Grammy-Nominierung – sein Leben glitzert wie seine extravaganten Orgelschuhe. Sicher Spezialanfertigungen wie seine gigantische Digitalorgel, mit der er durch die Konzertsäle tourt. Die Bauteile des futuristischen Instruments füllten das Podium in der Philharmonie. An den fünf Manualen seiner in zwei Lastwagen passenden „International Touring Organ“ wuselt Carpenter aberwitzig über die Tasten. Er zieht blitzschnell Registerzüge und spielt dermaßen furios mit seinen Füßen, dass einem Angst und Bange wird.

Fast nur Bach erklang an diesem Abend, passend zur aktuellen CD „All you need is Bach“. Dafür stieg Carpenter auch immer wieder an die Klais-Orgel der Philharmonie, die er ebenfalls ungewöhnlich zu bedienen wusste. Mit dem Pedalschweller variiert er die Dynamik, spielt extrem leise und extrem laut. Er lässt Arpeggien glucksen und baut spannungsvolle Pausen ein. Das wird manchem braven Kirchenorganisten gegen den Strich gehen. Ist aber egal, denn Carpenter spielt in seiner eigenen Liga. Bachs berühmte Passacaglia und Fuge c-Moll bläht er auf seiner eigenen Orgel à la Stokowski auf. Da wummern die Bässe, und am Ende braust und dröhnt das volle Werk, als ob es kein Morgen gibt. Carpenter ist der Horowitz der Orgel. Halb Teufel, halb Priester.

Raffiniert seine improvisierte „Sinfonie“ über Weihnachtslieder. „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ oder „Hark! The Herald Angels sing“ kamen harmonisch neu verkleidet um die Ecke, das „Nussknacker“-Thema wird zum Leitmotiv. Wie er die Melodien verwirbelte und diverse Stile verschmolz, war grandios. Carpenters blau-rot angestrahltes Instrument klingt natürlich auch mal fies nach „Schweineorgel“. Sie ist ein multiplexes Soundwerkzeug, das Kinoorgel, Hammond und Kirchenorgel vereint.

Mit Carpenters androgynem Aussehen entsteht der Kultstatus. Der Irokese und seine Maschine sind ein Gesamtkunstwerk. Dafür kam ein hippes Publikum in die Philharmonie, und das ist gut.

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