Der Herzschlag des Propheten Nick Cave und die Bad Seeds in Düsseldorf

Düsseldorf · Nick Cave und die Bad Seeds waren mit einem historischen Konzert in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf zu Gast. Am Ende verließen alle glücklich die Konzerthalle.

 Gerade 60 geworden: Nick Cave in der Mitsubishi Electric Halle. FOTO: THOMAS BRILL

Gerade 60 geworden: Nick Cave in der Mitsubishi Electric Halle. FOTO: THOMAS BRILL

Foto: Thomas Brill

Das war mehr als ein Konzert: ein kollektiver Rausch, ein intensiver Energieaustausch zwischen Publikum und Künstler, eine radikale Selbstentblößung und eine quasi-religiöse Erfahrung nach dem Muster „Der Prophet spricht zu seinen Jüngern“. Nick Cave und seine Band The Bad Seeds haben die Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle in einen magischen Ort verwandelt. Der mehr als zweistündige, künstlerisch wie emotional überwältigende Auftritt, an dessen Ende mehr Zuhörer als Musiker auf der Bühne standen, verdient das Adjektiv historisch.

Mit drei Songs vom jüngsten Album „Skeleton Tree“ entführten die Musiker das Publikum am Anfang in ein musikalisches Universum, in dem sich konventionelle Songstrukturen aufgelöst haben. „Anthrocene“, „Jesus Alone“ und „Magneto“ spiegelten wie ein fiebriger Albtraum die Leere und Verzweiflung, die Cave nach dem Tod seines 15-jährigen Sohnes Arthur im Jahr 2015 empfunden hat. Das Stück „Girl In Amber“, visuell begleitet von einer Projektion des Brighton Palace Pier, erschien wie ein liebevoller Abschiedsgruß.

Anspruchsvolle Performance

Cave und seine sechs Kollegen, allen voran Instrumentalgenius Warren Ellis, entwickelten danach aus der düsteren Poesie und den melancholischen Tönen eine lebensbejahende Botschaft. Am Ende verließen alle, Künstler und Publikum, glücklich und wie existenziell gestärkt die Konzerthalle.

Cave, der in seinen Songs thematisch immer zwischen Himmel und Hölle unterwegs gewesen ist, sang und tanzte sich die Seele aus dem Leib. So unmittelbar hat er sich als Livekünstler noch nicht präsentiert und sein Seelenleben zur Schau gestellt. Er ging an diesem Abend auch akustisch über Grenzen hinweg.

Die mächtige Stimme des 60-Jährigen flutete mit Songs wie „From Her To Eternity“, „The Mercy Seat“ und „Tupelo“ den Alltag aus dem Bewusstsein der Zuhörer. Das ist der Sinn eines Rockkonzerts. Die Bad Seeds unterstützten das mit regelrechten Klangexplosionen und Lärmekstasen. Sie definierten das Wort „entfesselt“ völlig neu. Der Song „Stagger Lee“ endete für Cave als Bad in der begeisterten Menge. Zum Ausgleich spielten die Bad Seeds balsamische Balladen wie „The Ship Song“ und „Into My Arms“.

Kontakt zum Publikum

Cave genießt zu Recht den Ruf eines Bühnentiers. Auf seiner gegenwärtigen Tour kommt er den Menschen so nah wie nie zuvor, und sie berührten ihn in Düsseldorf so ergriffen wie ein höheres Wesen. Die Zeile „Can you feel my heartbeat?“ aus dem Song „Higgs Boson Blues“ legte Cave ganz wörtlich aus. Er beugte sich theatralisch zur Menge hinunter, viele versuchten, seine Brust zu berühren. Und er verstärkte die Signale aus seinem Innern: „Boom, boom, boom.“

Mit „Push The Sky Away“ entließ Cave das Publikum in die Düsseldorfer Nacht. Man sah den vielen Gesichtern an, dass hier etwas ganz Außergewöhnliches passiert sein musste, etwas Unvergessliches.

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