Schallplattenmanufaktur Alles Handarbeit: Michael Kux betreibt in Essen eine Vinyl-Manufaktur

Essen · Die Schallplatte ist wieder im Kommen: Von 2016 bis 2017 stiegen die Umsätze aus dem Verkauf von Vinyltonträgern um mehr als 45 Prozent. Ein Essener stellt sie in Handarbeit in seiner Schallplattenmanufaktur her.

 Eine runde Sache: Links und rechts tönen die schwarzen Boxen auf den Diamanten und bringen ihn damit zum Schwingen, während er in das Vinyl schneidet. Bei 40 Grad funktioniert das problemlos.

Eine runde Sache: Links und rechts tönen die schwarzen Boxen auf den Diamanten und bringen ihn damit zum Schwingen, während er in das Vinyl schneidet. Bei 40 Grad funktioniert das problemlos.

Foto: Dennis Sennekamp

Für ein paar Sekunden ist es mucksmäuschenstill im Wohnzimmer von Michael Kux. Der Raum ist geprägt von einer sensationellen Winzigkeit, die nur von der darin herrschenden Ordnung übertroffen wird: Überall stehen, liegen und hängen säuberlich sortierte Schallplatten. Es sind Hunderte, versammelt auf einer Handvoll Quadratmetern. Im Epizentrum seiner Sammlung sitzt Kux vor einer abenteuerlich aussehenden Maschine.

Vorsichtig lässt der Essener darin eine Diamantnadel auf eine sich drehende, schwarz glänzende Kunststoffscheibe hinabsinken. Mit einer Geschwindigkeit von exakt 45 Umdrehungen pro Minute schneidet der Diamant nun die ersten Rillen in die Platte. In diesem Moment könnte jedes Nebengeräusch die Aufnahme stören, weshalb Kux versucht, besonders leise zu arbeiten. Dann endlich zerreißen die ersten Töne von Beethovens "Ode an die Freude" die Stille. Erleichtert lässt sich Kux in seinem Stuhl zurückfallen - seine kleine Schallplattenmanufaktur hat erfolgreich ein weiteres Werk auf Vinyl gebannt.

Dass die Schallplatte wieder im Kommen ist, haben schon unzählige Spatzen in den vergangenen Jahren von den Dächern gepfiffen. Aktuelle Verkaufszahlen geben ihnen recht: Von 2016 bis 2017 stiegen die Umsätze aus dem Verkauf von Vinyltonträgern um mehr als 45 Prozent, so eine Untersuchung des Bundesverbandes Musikindustrie. Darüber hinaus meldeten die Organisatoren des bundesweit stattfindenden "Record Store Day", einem Tag für Vinyl-Sonderveröffentlichungen, kürzlich einen Rekord. Die Veranstaltung im April sei der "bislang erfolgreichste ,Record Store Day' überhaupt" gewesen, schreiben sie auf ihrer Internetseite.

Kein Interesse für den Boom

Kux, den Freunde "Kuxi" nennen dürfen, interessiert sich nicht für den Boom. Für den Mittfünfziger stand die Rückkehr der Schallplatte nie zur Debatte - sie war nämlich immer bei ihm. "Meine Sammlung umfasst etwa 15 000 Scheiben, zusammengetragen in 38 Jahren", sagt der bekennende Fan von Fünfzigerjahre-Musik. "Auch wenn ich als DJ unterwegs bin, lege ich nur mit Vinyl auf." Um seinem Publikum dabei Lieder präsentieren zu können, die nur auf CD erhältlich sind, kaufte er sich vor sechs Jahren eine eigene Maschine, mit der er selbst Schallplatten produzieren kann.

Mehr als 6000 Euro kostete ihn der Traum von der eigenen Produktion samt Zubehör. "Dazu kamen in den ersten Monaten noch etwa 1200 Euro Lehrgeld", so Kux. Das Schneiden von Vinylschallplatten sei eben nicht so leicht zu erlernen, sagt er. Dabei hätte er unzählige Rohlinge sowie Diamanten verschlissen und eine Schulung absolviert. Nun kann er in rund 45 Minuten eine Single produzieren. "Das Aufwärmen der Maschine dauert rund eine halbe Stunde", erklärt Kux. "Zum Schneiden des Vinyls braucht dieses eine Temperatur von rund 40 Grad. So schneidet der Diamant leichter als bei kaltem Material."

Danach schließt er ein Medium mit der zu bearbeitenden Musik an, zum Beispiel einen CD- oder MP3-Player, und stellt die Lautstärke der Aufnahme ein.

Die knackende Stille bevor es losgeht

Anschließend positioniert er den Schneidekopf über dem Rohling und beginnt mit dem Hineinkratzen eines sogenannten "Vorschubs" auf die Platte, einer Leerrille. "Das ist die berühmte knackende Stille bevor es losgeht, wenn man eine Platte auflegt", so Kux. "Wenn man beim Schneiden dieser Stille laute Geräusche machten würde, wären diese auf der Schallplatte zu hören."

Dann schaltet er die Musik ein. Die Töne aus zwei Boxen links und rechts vom Diamantstichel bringen diesen zum Schwingen. Der sich bewegende Stichel kratzt dann die Tonspur auf die drehende Platte. So funktioniert das übrigens auch bei den großen Presswerken, wenn diese einen Prototyp schneiden, sagt Kux. "Im Unterschied dazu ist bei mir aber alles Handarbeit", sagt er. "Das läuft bei denen schon längst digital."

In der Industrie hieße so ein Prototyp "Mutter". Von ihr entsteht in einem aufwendigen Verfahren ein Abdruck, genannt "Vater", mit dem letztlich die "Söhne", die fertigen Schallplatten gepresst werden. Von Massenproduktion ist Michael Kux jedoch weit entfernt - was nicht heißt, dass er nicht viel produzieren würde. "Insgesamt habe ich bislang 2000 Platten geschnitten", so Kux, der die Manufaktur als Kleingewerbe führt.

Seine Kunden sind hauptsächlich Freunde, DJs, Musiker und Jukeboxbesitzer, die ihre Sammlung aufpeppen wollen. Und die kommen teilweise mit außergewöhnlichen Anfragen: "Ich kann nicht sagen, wie oft ich schon Lieder von Helene Fischer für meine Kunden auf Platte bringen musste", sagt Kux und rollt mit den Augen. "Bei manchen Aufträgen sehnte ich mich nach der Auslaufrille."

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