Zwischen Prüderie und Neugierde Wie der „Hardcore“-Tatort die Gemüter erregt

Bonn · Der Müncher Tatort „Hardcore“ sorgt seit seiner Ausstrahlung am Sonntagabend für Gesprächsstoff. Dass tatsächlich Diskussionsbedarf besteht, zeigt sich vor allem an den Reaktionen im Netz.

Keine leichte Aufgabe: Der Tatort „Hardcore“ sollte am Sonntagabend den Porno aus der Tabuzone befreien. Gut neun Millionen Zuschauer wurden Zeugen, wie Regisseur Philip Koch das Ermittler-Duo Ivo Batic und Franz Leitmayr in die Münchner Porno-Industrie schickt und Marie Wagner in einem Planschbecken voller Sperma erdrosselt wird.

Mit dieser Einschaltquote überflügelte die ARD sogar das WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft, das parallel auf dem Privatsender RTL lief. Und hier fingen die Probleme schon an, zumindest für Twitter-User @SvenGantzkow, der anhand dieses Abendprogramms einen Paradigmenwechsel in der deutschen Fernsehlandschaft ausmachte: „Als ich klein war, lief der Sex auf RTL und der Fußball im Ersten.“

@TommiSchmitt regte gar zu einer andächtigen Schweigeminute für alle an, die am Sonntag „ihre Eltern besuchten und sagten: 'Ich fahre erst nach dem Tatort. Den können wir zusammen gucken.'“

Die Polizei München entzog sich dem Thema kurzerhand sogar vollständig, erntete dafür aber auch deutliche Kritik von Twitter-User @Denkmalschutz: „Mord und Totschlag ist ok, aber bei ein bisschen nackte Haut und Porno drehen alle durch.“

Der „Hardcore“-Tatort drohte also mit wehenden Fahnen an, die Sehgewohnheiten deutscher Krimifans gehörig auf den Kopf zu stellen. Und die sprangen bereitwillig darauf an. Grund genug, sich die Reaktionen im Netz anzusehen und Bilanz zu ziehen. Konnte „Tatort: Hardcore“ tatsächlich mit bürgerlichen Klischees über die Porno-Industrie aufräumen?

Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus und bildeten ein vielfältiges Spektrum zwischen Prüderie und Neugierde ab. Die einen begegneten der schlüpfrigen Materie mit Empörung, Gezeter und Witzen, die anderen zeigten sich eher über die Tatsache amüsiert, dass der „Hardcore-Tatort“, der mit nackter Haut nicht geizte, die Gemüter einiger Zuschauer dermaßen erregte. Zumindest wurden Wissenslücken offenbart, wie auch Userin @Birgithhh treffend bemerkte.

Tatsächlich rangiert der Wikipedia-Eintrag „Bukkake“ seit Sonntagabend mit über 23.000 Aufrufen neben „Blade Runner“ und „Katalonien“ unter den fünf meistgesuchten Artikeln der deutschsprachigen Ausgabe der Online-Enzyklopädie. Seinen Bildungsauftrag scheint der „Hardcore“-Tatort erfüllt zu haben. Seine eigentliche Mission, eine möglichst vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit dem Thema Pornographie zu fördern, hat er – zumindest laut den sozialen Netzwerken – allerdings verfehlt.

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