Glosse Kurzdeutsch: „Verstehst du Text, Mann?“

Isch geh' nach Aldi“, sagt der eine. „Zu Aldi!“, sagt der andere. „Was? Aldi zu? Schon so spät?“ Der Dialog, der wunderbar die Verknappung der Sprache sowie den Verlust grammatikalischer Standards und inhaltlicher Präzision veranschaulicht, ist nicht neu.

Zu verorten ist er in der sogenannten Kanak Sprak, dem Szene-Jargon zweisprachig aufgewachsener Jugendlicher. Später hieß das dann Kiezdeutsch. Nun führt die Berliner Linguistin Diana Marossek in ihrem Buch „Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?“ einen neuen Begriff dafür ein: Kurzdeutsch.

Es ist sicherlich sinnvoll, diese Sprachverknappung nicht nur vor dem Migrationshintergrund zu analysieren, wie bisher. Der Rheinländer etwa verknappt eine komplexe Eigentumsfrage zu: „Is dat dem sing?“ Eine schöne Karikatur von Graeser & Lenz bildete unter dem Titel „So wird 2016“ den Dialog eines Mannes und einer Frau mittleren Alters ab. Er fragt: „Und wie?“ Sie: „Muss!“

Nun ist aber das Kurzdeutsch, das Marossek im Blick hat, eher ein Phänomen der Jugendkultur und derer, die partout jugendlich wirken wollen. Cool zu sein durch flapsigen Sprachgebrauch ist eine Wurzel des kurzen Deutsch, die andere ist die Zeichen-Ökonomie der Sozialen Medien. Beim Chat auf Facebook und WhatsApp gelten ohnehin andere Regeln als im Duden.

Ist Kurzdeutsch gefährlich? Für den, der den Slang als Option hat, der das spielerische sogenannte Code-Switching, also den Wechsel zwischen Hoch- und Jugendsprache beherrscht, ist das alles kein Problem. Wer aber nicht anders kann, als Kurzdeutsch zu reden und zu denken, ist alles andere als cool.

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