Tatort aus Dresden In der Gosse der Gesellschaft

Bonn · Im zweiten Dresdener Tatort "Der König der Gosse" müssen sich die beiden selbstbewussten Oberkommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) gleich zwei Herausforderungen stellen - privat und beruflich.

 Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) trifft am Tatort auf drei Obdachlose.

Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) trifft am Tatort auf drei Obdachlose.

Foto: MDR/Gordon Mühle

Hans-Martin Taubert (Michael Sideris), Betreiber einer Hilfsorganisation für Bedürftige, fällt von einer Brücke und überlebt nur knapp. Am Tatort treffen die Ermittlerinnen auf drei Obdachlose - die selbst ernannte Security des schwer verletzten Unternehmers. Die sind fest davon überzeugt, ihr hoch angesehener Boss sei von der Brücke gestoßen worden. Schnell beginnt ein mühseliges Rätselraten, bei dem keine Aussage zur anderen passt. Nicht nur die Kommissarinnen, auch die mitratenden Zuschauer tappen zunächst im Dunkeln. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Über Schwarz-Weiß-Rückblenden werden die einzelnen Perspektiven der Verdächtigen gezeigt - ein spannender filmischer Kunstgriff.

Es folgt ein weiterer Angriff auf Taubert - diesmal ein tödlicher. Besonders wird der neue Dresdener "Tatort" aber vor allem durch die Verquickung von Job und Privatem: Die privaten Umstände der Hauptfiguren geben der Geschichte eine persönliche Atmosphäre. So nimmt sich die empathische Henni Sieland eines Abends mehr Arbeit mit nach Hause, als ihr Partner Ole verkraften kann, und auch die forsche Karin Gorniak hat Ärger zu Hause: Sie muss sich um die pubertären Fehltritte ihres Sohns kümmern. Die beiden doch sehr unterschiedlichen Frauen bilden ein sich gut ergänzendes Ermittlungsteam, das eher unfreiwillig durch Wiebke Lohkamp (gespielt von Jule Böwe) vom Betrugsdezernat vergrößert wird. Weder Sieland noch Gorniak lassen eine Gelegenheit aus, ihren Unmut über die neue Kollegin zu zeigen.

Auch die Aktualität des Themas reizt: "Der König der Gosse" verbindet die Spannung eines Krimis - die in diesem Fall ruhig etwas stärker hätte ausfallen dürfen - mit kritischen Aspekten des menschlichen Zusammenlebens, was ihn schon fast zu einer Gesellschaftssatire machen. Neben zwielichtigen Geschäften, Konkurrenzkampf und Familienstreitigkeiten wird die Bedeutung von Gerechtigkeit thematisiert - grundlegend durch die drei Obdachlosen, die ihre Einstellung und ihr Vertrauen gegenüber der Polizeiarbeit immer wieder neu überdenken und somit den Fall in neue Richtungen lenken. Dass eine Restaurantrechnung vom Nobel-Italiener dann doch endlich mal zielführende Erkenntnisse bringt - während man zunächst das Gefühl hatte, jeder tanze den Ermittlern auf der Nase herum -, ist dann doch etwas überraschend.

Insgesamt zeigt "Der König der Gosse" einen sehenswerten Kriminalfall mit durchweg schauspielerischem Talent und gesellschaftskritischen Momenten, die, besonders im Hinblick auf die Entwicklungen der europäischen Asylpolitik in den vergangen Monaten, den Zuschauer durchaus zum Nachdenken bringen können.

Der König der Gosse, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr;

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