25 Jahre Radio Bonn/Rhein-Sieg Groß und Walli - Die Wachmacher

BONN · Eine der beliebtesten Sendungen des Tages läuft zu nachtschlafender Zeit - ein GA-Studiobesuch bei den Morgenmoderatoren Frank Wallitzek und Volker Groß.

 Frank Wallitzek und Volker Groß

Frank Wallitzek und Volker Groß

Foto: Photographer: Beatrice Treydel Web: www.foto-box.org

Ein halbes Dutzend Mitarbeiter fährt die Frühschicht, die Sendung „Am Morgen“ von sechs bis zehn Uhr. Volker Groß moderiert – und lässt sich von seinem Besucher nicht aus der Ruhe bringen. Zwischen den Ansagen erklärt Groß das Studiosystem, das exakte Timing von Musiktiteln, die Dateien mit den O-Tönen des Wetterfroschs Karsten Brandt.

Da sind Profis am Werk

Auf dem Sendeplan steht ein Kurzinterview mit Nachrichtenredakteur Antonius Nolden über die aktuelle Bäderdiskussion: Die Bezirksvertretung in Bonn hatte am Vorabend die Pläne für ein neues Schwimmbad in Dottendorf abgelehnt. Volker Groß moderiert im wöchentlichen Wechsel mit Frank Wallitzek, der heute die Urlaubsvertretung des Studioredakteurs Nico Jansen übernommen hat. „Ich baue eine Stadt für dich“, singt Cassandra Steen, während Wallitzek in den Weiten des Webs ein paar Soundeffekte einsammelt, um das Thema „50 Jahre Star Trek“ akustisch anzureichern.

6.30 Uhr. Lokalnachrichten. Antonius Nolden schafft das Wichtigste aus der Region in 60 Sekunden. Kollegin Katharina Weber wird als „Lieutenant Uhura“ begrüßt, bevor sie die aktuelle Verkehrslage zusammenfasst. 20 Hörer haben Tickets für den Film „Männertag“ gewonnen, Wallitzek spielt O-Töne aus dem Siegburger Kino ein. 6:52 Uhr. Ab jetzt rechnen die Radiomacher verschärft rückwärts, denn gleich übernimmt die NRW-Zentrale in Oberhausen mit Werbung und den nächsten Hauptnachrichten.

Um zehn Uhr ist Schicht. Es folgen die Vorbereitungen für den nächsten Tag plus Konferenzen. Dann nehmen sich Groß und Wallitzek Zeit für ein Gespräch.

Das GA-Interview mit Groß und Walli

GA: Wie schafft man es, um sechs Uhr gute Laune erstens zu haben und zweitens zu verbreiten?

Frank Wallitzek: Indem du schon um vier Uhr mit Kaffee anfängst. Man muss mit allem etwas früher beginnen. Klar, dann bist du auch früher müde, hast aber auch früher Feierabend.

GA: Und es geht früher ins Bett, wenn die anderen noch feiern?

Volker Groß: Das fällt mir persönlich schwerer als das frühe Aufstehen. Wenn du um vier Uhr aufstehst, müsstest du, um ausreichend Schlaf zu bekommen, um acht Uhr abends ins Bett. Das ist Quatsch, das geht gar nicht.

GA: Wie kommen Sie trotzdem zeitig aus den Federn?

Groß: Mein Körper ist ein medizinisches Wunder.

Wallitzek: Im Winter geht’s, da isses eh dunkel. Im Sommer sieht die Sache anders aus. Heute Abend beispielsweise grillen wir um 18 Uhr, weil für mich um 21 Uhr Schicht ist.

GA: Besteht die Gefahr eines Blackouts zu früher Stunde?

Wallitzek: Kenne ich nicht.

Groß: Sobald das Mikro offen ist, bin ich wach.

GA: Wann beginnt der Dienst?

Wallitzek: Fünf Uhr. Dann bereiten wir die Sendung vor. Die Redaktion hat sich am Vortag schon auf die zentralen Themen geeinigt.

Groß: Wir sichten das Material, kürzen oder ergänzen. Selbst während der Sendung wird geändert, das ist ein atmender Prozess.

Wallitzek: Natürlich kann über Nacht viel passieren – wie der Putsch in der Türkei. Dann disponieren wir morgens um. Aktuell hat immer Vorrang.

Groß: Und wenn im Sendegebiet über Nacht etwas passiert ist, telefonieren wir mit Polizei und Feuerwehr – und schicken gegebenenfalls unsere Reporter raus.

GA: Sie arbeiten im Wechsel. Wie ist das strukturiert?

Groß: Früher hatten wir eine Weile die Doppelmoderation, da haben wir uns jeden Morgen gesehen. Irgendwann dachten wir: Wir sollten das ändern – oder gleich heiraten.

GA: Radio Bonn/Rhein-Sieg ging vor 25 Jahren auf Sendung. In welchem Status waren Sie vor einem Vierteljahrhundert?

Groß: Komplett verpickelt in der Pubertät. Ich war 14, habe viel Fußball gespielt und nie im Leben an einen Job beim Radio gedacht.

Wallitzek: Bei mir war’s genau umgekehrt. Ich wurde beim Schulsport immer als erster abgeschossen. Aber: Ich habe bereits 1991 beim Radio angefangen, hatte mit 13 meine erste Kinderradiosendung in der Nähe von Aachen. Kleiner, unbekannter Sender, aber ich war damals Deutschlands jüngster Rundfunkmoderator. Mich hatte es einfach gepackt.

GA: Zufall oder genetisch bedingt?

Wallitzek: Mein Vater war bei RTL für das Plattenarchiv verantwortlich, ich habe als Kind nicht mit Bauklötzen gespielt, sondern mit Tonbandschachteln. Mir war das also in die Wiege gelegt.

Groß: Ich wollte eigentlich Arzt werden, habe Sportmedizin studiert, mit Praktikum und allem. Jetzt habe ich eine „Sprechstunde“ im Radio.

GA: Bei der Einführung des Privatradios vor 25 Jahren war auch die Vielfalt ein Argument. Für jede Zielgruppe das richtige Radio – ist das Ziel erreicht worden?

Groß: Die gängigen Sender decken heute jeden Musikgeschmack ab – von Mainstream über Indie bis Klassik. Musik ist ein wichtiger Bestandteil, doch wir liefern mehr: aktuelle Informationen aus der Region, live.

Wallitzek: Wir wollen informieren und unterhalten. Die Hörer sollen bei uns auch lachen – und ihre Lieblingshits hören. Ach ja: Wir müssen zudem Geld verdienen, wir sind ein Privatradio.

GA: Würden Sie lieber Ihre eigene Musik auflegen?

Wallitzek: Was wir hier spielen, ist ja meine eigene Musik. Wir hören die Titel nur wesentlich öfter als der einzelne Hörer.

GA: Wer entscheidet, was läuft?

Wallitzek: Letztlich der Hörer. Der Musikredakteur nimmt einen Titel versuchsweise ins Programm, ganz vorsichtig, am Abend. Danach kommt der Song in eine Hörerbefragung. Wenn eine Mehrheit möchte, dass die Nummer öfter gespielt wird, rutscht sie eine Kategorie höher.

Groß: Die Musik, die wir morgens spielen, würde ich auch privat hören. Auf manche Songs freut man sich sogar jeden Morgen aufs Neue.

Wallitzek: Damit erträgst du dann Sachen, die du gar nicht mehr leiden kannst, zum Beispiel damals dieses „Nossa, nossa!“

Groß: Ich finde auch, dass Adele oft genug „Hello“ gesagt hat.

GA: Was sind die Herausforderungen des modernen Radios?

Groß: Du musst das schnellste Medium sein, ständig super aktuell, journalistisch sauber – und kreativ. Deine persönliche Seite soll erkennbar sein.

Wallitzek: Die Hörer kennen viele Nachrichten schon, bevor sie das Radiogerät einschalten – durch Facebook, Twitter oder piepsende Newsletter. Die Herausforderung liegt darin, dann einen Schritt weiter zu gehen: Hintergrundinfos liefern, die Dinge einordnen, auf Relevanz achten.

Groß: Deshalb stellen wir uns jeden Morgen die zentrale Frage: Über was redet Radio Bonn/ Rhein-Sieg-Land heute?

GA: Wie bindet man die sozialen Medien sinnvoll ein?

Wallitzek: Die Mail ersetzt heute den Hörerbrief, der Facebook-Eintrag den Anrufer.

Groß: Ich finde es spannend, sich mit Hörern über lokale Themen auszutauschen.

GA: Gibt es kritische Momente, was Kommentare angeht?

Groß: Die Hemmschwelle im Internet ist generell gering. Uns gegenüber sind die Leute allerdings sehr nett.

Wallitzek: Ich persönlich bin da sehr gelassen. Demokratie ist manchmal schwer auszuhalten. Aber man kann nicht erwarten, dass alle so denken wie du.

GA: Radio Bonn/Rhein-Sieg erreicht täglich rund 245.000 Hörer. Spürt man das große Publikum, wenn man am Mikro steht?

Wallitzek: Nein, ich habe schon Radio gemacht für 20 Leute – und mir trotzdem Mühe gegeben. Du hast keine Birnchen im Studio, die dir mitteilen, wie viele Leute zuhören. Zum Glück: Da machst du einen schlechten Witz, und die Hälfte der Birnchen geht aus.

Groß: Man nimmt die Reichweite wahr, wenn man zum Bäcker geht, und dort läuft Radio Bonn/Rhein-Sieg. Und man wird öfter angesprochen: „Hey, ich habe heute Morgen so gelacht über Elvis Eifel“. Klar ist das schön. Du sitzt da im Studio und sprichst zu einer Viertelmillion.

GA: Das Sendegebiet ist zurzeit zugepflastert mit Plakaten, zu sehen sind die Radiomacher Frank Wallitzek und Volker Groß. Wie fühlt sich das an?

Wallitzek: Vielleicht sollte ich mir die Augenbrauen abrasieren, damit mich mehr Leute erkennen.

Groß: Aber bitte nicht zu viel …

Wallitzek: Okay, ich freue mich, doch so wichtig ist das nicht.

GA: Trotzdem posten Sie Selfies aus dem Auto. Mit dem Kommentar: „Überall diese jüngere, hübschere Version von mir!“

Wallitzek: Na ja, man nimmt das schon wahr.

GA: Mit dem Titel „2 Samenspender“. Fühlen Sie sich persönlich angesprochen?

Groß: Die Fotos haben Hörer geschickt. Viele Vaterschaftsklagen sind noch nicht eingegangen.

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