Tatort "Wendehammer" Ein Hauch von Agatha Christie

Bonn · Der Frankfurter Tatort „Wendehammer“ spielt mit zwei analogen Kommissaren in der kalten Cyber-Welt. Es dauert jedoch lange, bis der Film Fahrt aufnimmt.

 Krimautorin (Cornelia Froboess, l.) mit den Kommissaren Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch).

Krimautorin (Cornelia Froboess, l.) mit den Kommissaren Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch).

Foto: HR/Degeto/Bettina Müller

Nein, an diesem Wendehammer in einem Frankfurter Nobelviertel möchte man nicht leben. Man weiß nicht, wer schlimmer ist, der Paranoiker Nils in seinem videoüberwachten Hochsicherheitstrakt (Jan Krauter), der ältliche Schürzenjäger Abendroth (Joachim Bißmeier), die ewig trällernde Opernsängerin Olga (Susanne Schäfer) mit ihren kurzatmigen Möpsen oder die nervig-neugierige Krimiautorin Betti (Cornelia Froboess). In diesem Panoptikum müssen die Kommissare Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) ermitteln – wirken dabei selbst, wie das übrige Personal, meist karikaturenhaft. Es geht um einen Vermisstenfall, später kommt unvermittelt ein Mordversuch dazu, schließlich ebenfalls aus heiterem Himmel ein Mord.

Es dauert eine verschnarchte Stunde, bis Regisseur Markus Imboden seine langatmige Milieustudie am Wendehammer abgeschlossen hat und der „Tatort“ doch noch zum Krimi wird. Ein sehr ungewöhnlicher, denn er kommt als Cyber-Thriller im Gewand des klassischen Agatha-Christie-Genres daher: Jeder im Wendehammer könnte der Täter sein, es gibt vielsagende Blicke und deutliche Spuren. Oder steckt doch eine obskure Datenkrake aus Kalifornien hinter dem Fall? Und so dümpeln die analogen Kommissare in einem abstrusen, digitalen Verschwörungskosmos vor sich hin. Beide wirken mit ihren lieben Blicken und ehrenwerten Gesten wie aus der Zeit gefallen, sind viel zu gut für diese kalte Cyber-Welt.

Und so müssen sie harm- und machtlos zusehen, wie dieser Frankfurter „Tatort“ mit einem Knalleffekt endet.

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